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Wassergeld

Wassergeld

Titel: Wassergeld
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Stunde zur Verfügung stehen, die Relais werden gerade geschaltet. Von der Situation an den Deichbruchstellen liegen uns keine verwertbaren Informationen vor. Ob es Verletzte gibt, wissen wir auch noch nicht. Es ist bei den momentanen Licht- und Wetterverhältnissen sehr schwierig, an die betreffenden Stellen zu kommen.«
    Jutta hatte die Situation im Griff. Fast so, als hätte sie Wochen Zeit gehabt, alles zu planen. Nachdem sämtliche Schritte für die Evakuierung besprochen waren, strömten die operativen Einsatzleiter der verschiedenen Organisationen zu ihren Einsatzorten und den dort wartenden Mitarbeitern in das Katastrophengebiet. Es waren jetzt noch etwa 20 Personen anwesend, für die in aller Eile Schreibtische, Computer und weitere Hilfsmittel angefahren wurden. Für Katastrophenfälle wurden in fast jedem Landkreis für die zentrale Kommunikation und Abstimmung die entsprechenden Geräte und Utensilien bereitgehalten. Da die Lagerung sowie weitere Details dieser vorbeugenden Maßnahme als VS-nfD, also als ›Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch‹, galten, darf ich die Einzelheiten nicht näher beschreiben.
    Als stellvertretender Dienststellenleiter der Kriminalpolizei und aufgrund der Tatsache, dass KPD mutmaßlich noch weinend vor seinem Buffet in dem Restaurant stand, wäre es meine Aufgabe gewesen, die Kollegen zu koordinieren und in den Kampf mit den Campern zu schicken. Auch wenn für diese Dinge normalerweise die Schutzpolizei zuständig war, in solchen Notsituationen galt die Trennung als aufgehoben. Jeder Mann und auch jede Frau konnte gebraucht werden.
    Ich kann meine Kollegin Jutta nicht häufig genug loben. Trotz des unsäglichen Stresses, den sie in der letzten Stunde erlitten hatte, kam sie lächelnd auf mich zu. »Ich denke, dir ist es nicht unangenehm, dass ich Jürgen beauftragt habe, die Koordination mit uns und der Schutzpolizei zu regeln. Du kannst folglich direkt mit Gerhard losfahren und dir ein Bild von der Lage vor Ort machen. Es wäre gut, wenn ihr beide euch zu den Stellen der Deichbrüche begeben könntet, wir haben zur Stunde immer noch kein klares Bild, wie es dort aussieht. Der Bagger, der als Erstes losgeschickt wurde, ist im Schlamm stecken geblieben. Das THW ist unterwegs, um das Gebiet auszuleuchten. Leider ist die Funkverbindung abgebrochen. Irgendwie scheint dort der Wurm drin zu sein.«
    Gerhard und ich machten uns auf den Weg. Wir fuhren direkt in den Weltuntergang hinein. Zu dem Graupelregen war inzwischen ein ziemlich starker Wind gekommen. Das Mondlicht hatte nicht den Hauch einer Chance. Waldsee war wie ausgestorben. Das einzige Lebenszeichen waren die Glockenschläge einer Kirche, die martialisch verstärkt durch die Dunkelheit bellten. Am Ortsausgang wurde es plötzlich hell. Das Technische Hilfswerk hatte schnell reagiert und auf dem großen Parkplatz vor der Waldfesthalle eine Flutlichtanlage installiert. Wir fuhren ohne anzuhalten weiter. Ein paar Meter weiter war die Straße gesperrt. Gerhard ließ seine Scheibe herunter. Bevor er etwas sagen konnte, wurde er bereits angeschnauzt: »Können Sie nicht lesen? Die Straße ist gesperrt. Sie dürfen hier nicht weiter.«
    Dem Kollegen von der Schutzpolizei war deutlich seine Frustration anzumerken, bei diesem Wetter auf Posten stehen zu müssen. Wahrscheinlich musste er alle paar Minuten Camper zum Umdrehen bewegen, die noch schnell ihren Wagen von der Parzelle retten wollten. Gerhard zeigte ihm den Dienstausweis und der Kollege von der Straßensperre ließ uns passieren.
    Die kurvenreiche Strecke war nicht angenehm zu befahren. Als wir in die Nähe des Campingplatzes kamen, ließ der Graupel etwas nach. Dadurch erhöhte sich die Sichtweite auf mindestens 50 Meter.
    »Halt an«, sagte ich hastig zu Gerhard. »Schau mal nach links, da bewegt sich etwas.«
    Unsere Augen benötigten einen Augenblick, um das Wohnmobil auszumachen, das kurz vor der Mündung zur Kreisstraße diagonal in einem Nebenweg festzustecken schien. Eine Person, eingehüllt in einen fledermausartigen Regenumhang, machte sich an einem der Vorderräder zu schaffen.
    Gerhard parkte am Straßenrand, um die Rettungs- und Evakuierungskräfte nicht zu behindern. Bevor wir ausstiegen, schaltete er das Warnblinklicht ein. Unsere Neugier wurde sofort bestraft. Bereits mit dem ersten Schritt auf den nicht befestigten Nebenweg sanken wir knöcheltief ein. Die Situation erinnerte mich an den Schlamm im Rheingönheimer Wildschweingehege, in dem wir
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