Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
ihn auch nicht.
    »Wie funktioniert so ein Programm?«, erkundigte ich mich.
    »Es rechnet nach, auf welchen Wegen rekinom zu dir auf die Platte gekommen ist. Wenn die Pfade nicht allzu verschlungen sind, kann es uns sagen, von wo der Kerl ins Netz geht.«
    »Das hast du selbst geschrieben?«
    »Eine Abwandlung einer anderen Software, die ich vor Längerem gebastelt habe.« Cyn grinste. »Das Schauerliche an der modernen Kriegsführung ist ja, dass du weder weißt, wer der Angreifer ist, noch von wo er seine Attacken startet. Eigentlich weißt du nichts. Du kennst niemanden. Du siehst nur Phantome: Nicknames, Codes, Zahlen.« Sie wies auf den Bildschirm, auf dem die Ziffern sich nur so jagten. »Eigentlich wie im wirklichen Leben. Niemand weiß mehr so genau, wer er eigentlich ist. He, warte!« Sie beugte sich so weit vor, dass ihre spitze Nase beinahe gegen den Bildschirm stieß.
    »Was? Sag!«
    Cyns Finger rasten über die Tastatur. »Hier habe ich ja die Koordinaten.« Sie wühlte auf meinem Schreibtisch herum, der längst nicht mehr mir gehörte. Ich sehnte mich nach einem ruhigen Projekt. Danach, die Versatzstücke im Leben eines mir letztlich gleichgültigen Menschen zusammenzutragen. Ein Motto für sein Leben zu finden, die Ereignisse darum zu gruppieren, Motive und Schnüre zu entdecken, die einzelne Lebensabschnitte miteinander verbanden, Knoten zu lösen und in den Augen meines Kunden die eine oder andere Erkenntnis über sich selbst aufleuchten zu sehen. Das Projekt Dv 0 ttny war gestorben. Bastian Hut war zu jung gewesen, um ausgeprägte Lebensziele zu besitzen oder jene typischen Einkerbungen, die ab dreißig dafür sorgten, dass Menschen stur auf den eingefahrenen Gleisen unterwegs waren. Bastians Verwundungen waren noch nicht tief gewesen.
    »Kea!«
    »Was?«
    »Schläfst du? Hörst du mich? Ich habe ihn. rekinom operiert von einem Hotspot in einer Kneipe in Pasing.«
    »Und nun?«
    »Nichts wie hin!«
    »Soll ich Freiflug anrufen?«, rief ich, während ich in meine Jacke schlüpfte und nach einem Schokoriegel griff.
    »Los!« Cyn klimperte mit ihren Autoschlüsseln.
    Juliane nahm eine Schüssel mit geschmorter Kalbsleber und Kartoffelpüree aus der Mikrowelle, angelte Messer und Gabel aus dem Besteckkasten und folgte uns zu Cyns Transporter.
     
    Der Schnee fiel so dicht, dass man kaum die Straße erkennen konnte. Ab Ohlkirchen war zwar geräumt, dennoch war vom Asphalt kaum etwas zu sehen.
    »Die sparen schon Streusalz«, bemerkte Juliane und spachtelte Kalbsleber in den Mund. Die Schüssel balancierte sie auf ihren Knien. Der Duft drehte mir fast den leeren Magen um. »Es geht bergab, Deutschland.«
    »Man fährt ohnehin besser auf Schnee als auf dieser halb geschmolzenen Matsche«, behauptete Cyn. Ich hackte auf meinem Handy herum. Endlich bekam ich Freiflug an die Strippe.
    »Bist du in München?«
    »Ja. In der Werkstatt.«
    »rekinom sitzt im Absalom in Pasing. Fahr hin und nimm deinen Arsch mit.«
    »Bist du sicher?«
    »So sicher, wie man sein kann, wenn man von der Sache nicht die Bohne versteht.«
    Cyn lachte dreckig. »Ich bin selbst nicht sicher. Ich verlasse mich auf meine Rechenkünste.«
    »Also, bis gleich.« Ich unterbrach das Gespräch, weil ich keine Lust hatte, mit Freiflug über Wahrscheinlichkeiten zu diskutieren.
     
     

54
    Markus Freiflug sprang aus dem Taxi und betrat das Absalom. Die Kneipe lag gegenüber dem S-Bahnhof. Sie drängte sich düster zwischen eine Bäckerei und einen Lottoladen. Ein handgeschriebener Zettel hing in der Tür: Kostenloser Hotspot.
    Typisch, dachte Freiflug. Der Gratis-Hotspot ist so verlockend, dass die Kunden sich keine Gedanken darüber machen, eine ungeschützte Netzverbindung aufzubauen. Er fragte sich, was ihn dort drin erwarten würde. Ein bekanntes Gesicht?
    Darauf, dass er zwei bekannten Gesichtern gegenübertreten würde, war er nicht vorbereitet.
    Seine Kollegen Roderick und Kröger saßen an einem Tisch gleich bei der Tür und tranken ein Bier. Beide schienen genauso erschrocken wie Freiflug.
    »Was … macht ihr denn hier?«, stotterte Freiflug.
    »Feierabendbier«, antwortete Roderick. »Ich wohne gleich um die Ecke.«
    Freiflugs Blick fiel auf den bauchigen Rucksack, der zwischen den beiden auf dem dritten Stuhl am Tisch stand. Kröger stellte ihn auf den Boden. »Setz dich!«
    »Ich … muss mal eben telefonieren.«
    Noch nie in seinem Leben war Freiflug dermaßen aus der Fassung geraten. Er ging zu den Toiletten und riss ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher