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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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attraktiv. Das kann man aber gerade nicht erkennen, weil ihre blondierten Haare, ein knallroter Lippenstift und eine sehr großzügige Portion Make-up nur erahnen lassen, wie sie unmaskiert aussieht. Der Kontrast zu Konstantin und Alphons, die beide den gleichen grauen Nadelstreifenanzug tragen, ist jedenfalls eklatant. Die drei sehen aus wie eine seltsame Zirkusnummer. Oder wahlweise wie zwei Figuren aus einem Märchen von Lewis Carroll, die von einem aufgetakelten Boxenluder verfolgt werden.
    «Ist meine Mutter schon da?», fragt Konstantin, ohne ein Wort des Grußes vorwegzuschicken. Er ist unübersehbar nervös.
    Ich wende mich seiner Begleitung zu. «Guten Tag. Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen. Ich bin …»
    «Entschuldigung, das habe ich jetzt ganz vergessen», unterbricht Konstantin. «Ludmila, das ist Paul.» Er überlegt einen Moment, wie er meine Funktion in der Familie beschreiben könnte, spart sich das dann aber. «Ludmila ist meine Verlobte. Und Alphons’ Mutter.»
    Man merkt, dass ihm das nicht leicht über die Lippen geht. Er scheint sie noch nicht oft vorgestellt zu haben. Schon gar nicht als seine Verlobte.
    Ludmila nickt mir freundlich zu und lächelt breit. Sie hat ein bisschen Lippenstift auf den Zähnen und erinnert mich deshalb an ein Raubtier, das gerade Beute geschlagen hat.
    «Und was ist dir passiert?», frage ich Alphons, dessen Daumen dick bandagiert sind.
    Alphons zuckt mit den Schultern. Er möchte wohl nicht drüber reden.
    «Sehnenscheidenentzündung», erklärt Ludmila mit starkem osteuropäischem Akzent. «Er hat heimlich eine ganze Nacht Playstation gespielt.»
    Der kleine Alphons kann sich offenbar weiterhin auf sein Pech verlassen. Binnen der wenigen Wochen, die ich bei der Familie auf Mallorca verbracht habe, ist Alphons gleich mehrfach in kritische Situationen geraten. Immerhin hat er offenbar weiterhin Glück im Unglück, denn ernsthafte Verletzungen sind ihm auch damals erspart geblieben.
    «Dann gute Besserung», wünsche ich.
    Alphons nickt kurz.
    «Ja. Gut. Wir können ja später noch reden», mischt Konstatin sich ein und öffnet die Tür zur Sakristei.
    Als die drei darin verschwunden sind, zünde ich mir eine neue Zigarette an und überlege, woher ich den Namen Ludmila kenne. Ich ahne, dass ihr Auftauchen neue Probleme mit sich bringen wird. Wann und wo habe ich nur diesen Namen schon mal gehört?
    Die Tür öffnet sich wieder, Alphons erscheint. «Ich soll draußen warten.»
    Ich nicke freundlich.
    Er hockt sich auf ein Mäuerchen, zieht ein Comicheft hervor und blättert darin. Sekunden später hat er sich in eine Geschichte vertieft.
    Plötzlich fällt mir wieder ein, dass Iris Ludmila mal erwähnt hat. Sie war Audreys Kindermädchen und ist der Grund gewesen, weshalb Konstantin sich von Iris’ und Audreys Mutter getrennt hat. Elisabeth hat ihm diesen gesellschaftlichen Fauxpas nie verziehen. Deswegen existiert Ludmila offiziell nicht, obwohl sie Elisabeth einen Enkelsohn geschenkt hat. Zu familiären Anlässen erschien Konstantin bislang zwar mit Alphons, nicht aber mit dessen Mutter. Offenbar soll sich das am heutigen Tag ändern. Daher also Konstantins Nervosität. Die Frau mit dem Raubtierlächeln möchte endlich ein anerkanntes Mitglied der Familie von Beuten werden, und Konstantin soll in dieser Hinsicht Fakten schaffen. Sicher hat Ludmila ihm ordentlich Feuer unterm Hinter gemacht. Als konfliktscheues Muttersöhnchen wäre der junge von Beuten allein nie auf die Idee gekommen, seiner Mutter die Stirn zu bieten.
    Ich würde nicht darauf wetten, dass die alte Dame in Sachen Ludmila einlenkt. Das hat die Patriarchin bereits im Fall von Karl getan, und es entspricht nicht ihren Angewohnheiten, zweimal am gleichen Tag einzulenken. Dafür ist sie einfach von Natur aus zu sehr auf Krawall gebürstet.
    Es könnte mir gleichgültig sein, wenn sie Konstantin auf die Größe einer Briefmarke zusammenfaltet. Wir haben uns nie sonderlich gemocht, waren geschäftlich immer unterschiedlicher Meinung, und eigentlich müsste er sich bei mir noch wegen der Sache mit Timothy entschuldigen.
    Im Grunde würde ich ihm sogar eine saftige Abreibung gönnen. Da es mir aber wichtiger ist, dass Melissa und Schamski einen schönen Hochzeitstag haben, trete ich meine Zigarette aus und öffne die Tür zur Sakristei, um Wogen zu glätten, wo immer welche zu glätten sind.
    Um ein Haar laufe ich Günther über den Haufen.
    «Gut, dass du kommst. Ich wollte dich gerade
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