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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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Stelle oder erst nach der Hochzeit den Kopf abreißen soll. Schließlich entscheidet sie sich für Letzteres und wendet sich zu Karl.
    «Du siehst gut aus.»
    «Danke sehr.» Er wirkt ehrlich erfreut. Ob das an Elisabeths Kompliment liegt oder an dem Umstand, dass die Situation mit diesem Satz entschärft sein dürfte, bleibt offen. «Weißt du, ich habe mir ein paar schlechte Angewohnheiten abgewöhnt …»
    «Affären mit dem Personal, beispielsweise?» Elisabeth fragt es, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Karls Lächeln gefriert. «Zuerst einmal habe ich mir das Saufen abgewöhnt. Dann habe ich aufgehört, mir vorzumachen, dass ich ein guter Schauspieler bin.» Er überlegt einen kurzen Moment. «Und in der Tat haben Uschi und ich uns getrennt, falls es das ist, was du wissen wolltest.»
    Elisabeth mustert ihren Mann. Für einen sehr kurzen Moment ist sämtlicher Hochmut aus ihren Augen verschwunden. Sie scheint sogar ihren Groll für ein paar Sekunden vergessen zu haben. Dabei wäre es für sie ein Leichtes, sein Geständnis mit einer hämischen Replik in den Dreck zu treten. Offenbar hat Karl sie mit seiner ehrlichen und geradlinigen Bemerkung aus dem Konzept gebracht.
    «Das tut mir leid», sagt sie. Und es klingt ebenfalls ehrlich.
    Karl lächelt gewinnend. «Es tut dir leid, dass ich mir das Saufen abgewöhnt habe?»
    Jetzt lächelt auch Elisabeth ein wenig. «Die Sache mit Uschi, meine ich.»
    Karl zuckt mit den Schultern. «Unsere Beziehung ging nur so lange gut, wie sie im Verborgenen stattfand. Ich glaube, wir kamen uns beide ein bisschen so vor wie zwei Zootiere, die ausgewildert werden und dann feststellen müssen, dass sie in Freiheit nicht lebensfähig sind.»
    Elisabeth sieht ihn an und schweigt.
    «Das sollte jetzt kein Vorwurf sein», setzt Karl rasch nach. «Ich wollte damit nicht sagen, dass du mich in einen goldenen Käfig gesperrt hast oder so was. Wirklich nicht.»
    Immer noch sieht Elisabeth ihn an. Er hält ihrem Blick stand, doch in seinen Augen flackert die Sorge, dass die Stimmung kippen könnte.
    «Wir brauchen uns nichts vorzumachen, Karl», sagt Elisabeth nach einem kurzen Zögern. Sie klingt gefasst. «Wenn du dich bei mir wie in einem goldenen Käfig gefühlt hast, dann kannst du das auch so sagen.»
    Ich hoffe, dass Karl alt und vor allem klug genug ist, nicht in diese Falle zu tappen. Frauen geben sich gerne tolerant und verständnisvoll, wenn sie Geständnisse wittern. Das heißt aber nicht, dass sie mit Geständnissen auch tolerant und verständnisvoll umgehen.
    «Lass uns das tun, worum Paul uns eben gebeten hat, Elisabeth. Lass uns heute unsere persönlichen Differenzen vergessen und uns darüber freuen, dass unsere Tochter gleich heiratet.» Es klingt nicht wie eine Bitte, sondern wie ein gutes Angebot. Karl bemüht sich sichtlich um einen Dialog auf Augenhöhe.
    Elisabeth überlegt einen kurzen Moment, dann nickt sie.
    Ich freue mich, dass Karls rund fünfzigjährige Erfahrung im Umgang mit seiner problematischen Frau an dieser Stelle hilfreich ist. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als würden die beiden sich jetzt noch in die Haare kriegen. Die folgende Plauderei kann deshalb ohne mich stattfinden. Ich bedeute Elisabeth, doch bitte darauf zu hören, ob Jona wach wird. Als sie nickt, trete ich ins Freie, um mir eine Zigarette zu gönnen.
    Günther und Iggy kommen mir entgegen.
    «Sind wir etwa die Ersten?», fragt Iggy.
    Ich schüttele den Kopf. «Die Brauteltern sind bereits drinnen.»
    Günther und ich wechseln einen Blick. Er hat es nicht nur geschafft, Karl auf Mallorca zu finden, sondern ihn auch davon überzeugt, dass er einen Streit mit Elisabeth riskieren muss, wenn er Melissa zum Traualtar führen will. Ich sehe Günther an, dass er zu gerne wüsste, wie die Begegnung der feindlichen Parteien verlaufen ist.
    «Unser Plan hat offensichtlich funktioniert», sage ich.
    Günther nickt zufrieden. «Ich bin zuversichtlich, dass heute alle unsere Pläne funktionieren werden», sagt er. Dabei zieht er ein Handy aus seiner Anzugtasche, tippt aufs Display und wirft einen kurzen Blick darauf.
    «Alles ruhig», verkündet er, steckt das technische Kleinod wieder ein und fügt hinzu: «Wir sagen drinnen mal guten Tag».
    Ich nicke und ziehe an meiner Zigarette.
    Kaum sind Günther und Iggy in der Sakristei verschwunden, da biegen Konstantin und sein kleiner Sohn Alphons um die Ecke. Begleitet werden die beiden von einer Frau um die dreißig. Sie ist schlank und vermutlich
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