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Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden?
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Wohltat, die er seiner ehemaligen Schülerin und Freundin nie zu vergelten vermöge. Er hoffe, daß das offene, vertrauende Wesen des Jungen und sein warmes Herz ihm ihre Liebe, deren er bedürfe, erwerben werden. Daß Otto diese reichlich erwidern werde, daran sei gar nicht zu zweifeln. Noch gedachte Doktor Strahl mit den freundlichsten Worten seines Aufenthalts in Dorotheas Hause, als einer seiner liebsten Erinnerungen. Vor Doris Augen stieg, in diesen Erinnerungen verweilend, das Bild jener schönen Frau auf, vor deren Blick sie damals so erschreckt zurückgewichen war. War die Frau die Mutter dieses Kindes? Dori schaute noch einmal liebevoll auf die schlafenden Jungen, dann ging sie nach der Stube zurück, wo Fräulein Smele noch mit Dorothea zusammen saß.
    »Eine Frage müssen Sie mir noch erlauben, Fräulein Smele«, begann Dori ziemlich erregt, indem sie sich zuden beiden niedersetzte. »Meine Freude darüber, daß ich diesen Knaben Otto bei mir behalten und ihn, wie der Vater mir schreibt, ganz nach meinem Herzen behandeln darf, so wie ich ein eigenes Kind halten und leiten würde, ist derart, daß ich nur immer eines fragen muß: Wie kann die Mutter dieses Jungen ihn nur so hergeben, auch wenn eine angegriffene Gesundheit ihr vieles erschwert? Ich meine, am allermeisten müßte sie die Trennung von ihrem Kinde angreifen. Wie kann sie Otto nur aus ihrem Hause weggeben? Auch wenn sie ihn nur dann und wann sehen könnte, so wüßte sie ihn doch in ihrer Nähe und könnte in jeder freien Minute ihn bei sich haben.«
    »Sie erregen sich um einer Unmöglichkeit willen«, entgegnete Fräulein Smele, »die leidende Mutter ist selbst nicht mehr in ihrem Hause. Ihre gestörten Nerven führten einen Zustand solcher Aufregung herbei, daß sie nach einer Heilanstalt gebracht werden mußte. Ja, Sie können wohl vor Schrecken blaß werden, Fräulein Dori, es war auch ganz erschrecklich, die Frau in ihrem Zustande zu sehen und dazu den armen Mann, als er sich eingestehen mußte, die Kranke könne nicht mehr zu Hause gehalten werden. Der Arzt forderte ihre Entfernung, ihre Anfälle könnten gefährlich werden. Und diese Frau! Sie hätten sie nur kennen müssen in ihren guten Tagen! So schön, so begabt, so anziehend! Immer voller Witz und Leben, alles um sie her belebend, hinreißend – ja, diese Schuld hat die Gesellschaft auf sich, ihre aufreibenden Ansprüche haben diese Frau ruiniert. Ich konnte es wohl beobachten, wie die Hast und die Aufregung von Tag zu Tag zunahmen, und immer ruhelos mußte es weiter gehen, bis die Krankheit ausgebrochen war, angefangen hatte sie lange schon.«
    »Aber wie ist denn so etwas möglich«, brach Dori nun in neuer Erregtheit aus, »wie kann es denn sein, daß die Gesellschaft irgend etwas zum Leben einer Frau zu sagen hat, wenn sie an der Seite eines Mannes steht, wie Doktor Strahl ist? Da hat er doch zu reden und er ist gewißnicht der Mann, der eine Frau in aufregende und auszehrende Gesellschaft bringen möchte.«
    »Davon können Sie freilich nichts verstehen, liebes Fräulein, das kann ich begreifen«, bemerkte Fräulein Smele in beschützender Weise. »Sie, die Ihr ganzes Leben in solcher Abgeschiedenheit und Einfachheit der Verhältnisse zugebracht haben, Sie können nicht beurteilen, was es ist, in der Gesellschaft einer Großstadt zu leben. Man muß mitmachen, man wird fortgerissen; eine Frau, so begabt wie unsere Dame, noch vor allen andern. Wenn auch der Herr Doktor nicht die Natur ist, so recht mitzumachen, und wohl oft gewünscht hat, seine Frau möchte mehr für ihn und die Kinder leben, man ließ sie nicht, sie kam zu keiner Ruhe. Da, dort, überall wurde sie gerufen, nicht eine Gesellschaft, die etwas zu bedeuten hatte, wo unsere Dame nicht dabei sein mußte, und so oft die ganzen Nächte durch, und nachher die Abgespanntheit, die Ermattung und dann wieder dasselbe, dieselben Aufregungen, dasselbe Anspannen aller Kräfte; ruhelos, immer zu. So ist die Gesellschaft und sie trägt die Schuld, wenn auch die Kinder zu kurz kommen! Wie soll eine solche Mutter zwischen Abspannung und neuen Anstrengungen noch Zeit und Kraft finden, ihren Kindern zu leben? Auch die Freude daran muß ihr vergehen, sie hat ja soviel anderes zu denken und sich für so viele Dinge zu interessieren, die mit den Pflichten der Gesellschaft zusammenhängen. Ich muß sagen, Fräulein Dori, ich glaube, daß Sie einem dringendem Bedürfnis entgegenkommen, indem Sie solche Kinder aus guten Familien bei sich
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