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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Autoren: Holm Friebe
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Tokio oder New York fügen die Millionen Menschen dem wirklichen Wert einer Stadt nichts hinzu, sondern schaffen lediglich ungeheure Schwierigkeiten und führen zur Erniedrigung des Menschen.“
    Heute wissen wir, dass allein die Verdichtung der Menschheit in Städten und Ballungsräumen die Klimaproblematik lindern kann, weil dadurch Flächen- und Energieverbrauch sinken. Es gibt Städte mit 30 Millionen Einwohnern wie Tokio, die reibungslos funktionieren, wenn sie nicht gerade von einem Erdbeben heimgesucht werden, während es gleichzeitig deutlich kleinere Städte wie Detroit gibt, die aufgrund ihrer Strukturschwäche als failed cities enden. Mit absoluten Zahlen kommt man hier also nicht weiter. Jenseits der Dunbarschen 150 betreten wir das Reich von Systemtheorie, Massenpsychologie und sozialen Netzwerken, in dem andere Regeln gelten und eigene zahlenmäßige Gesetzmäßigkeiten herrschen.
Schwärme, Trends und Netzwerke
    Nimmt man große Menschenmengen, Netzwerke oder gleich ganze Gesellschaften in den Blick, zählt weniger die absolute Größe als vielmehr die Art und Verteilung der Verbindungen zwischen den einzelnen Mitgliedern. Die Summe der möglichen Verknüpfungen in einem Netzwerk steigt exponentiell. Während fünf Personen untereinander maximal zehn Verbindungen haben können, sind es bei zehn Personen 45, und bei 15 sind es schon bis zu 105. Diesen Verbindungen ging Stanley Milgram nach, als er sein Kleine-Welt-Experiment entwickelte. Er fragte sich, wie viele Stationen im Durchschnitt nötig sind, um zwei beliebige Personen miteinander zu verbinden, und lieferte so die Blaupause für die beschriebenen Spiele um Kevin Bacon und Paul Erdős. Da Milgram zu seiner Zeit weder auf das Internet noch auf Datenbanken zurückgreifen konnte, bat er eine Reihe zufällig ausgewählter Personen in Kansas und Nebraska, einen Brief an eine bestimmte Zielperson in Boston zu schicken – jedoch nicht direkt (es sei denn, sie kannten diesen Menschen persönlich), sondern als besondere Form des Kettenbriefes: Sie sollten den Brief an jemanden in ihrem Bekanntenkreis weiterleiten, von dem sie glaubten, dass er oder sie die Person in Boston kennen könnte. Die Briefe, die schließlich ihr Ziel erreichten, waren durch etwa sechs Hände gegangen.
    Eine jüngere Studie hat Milgrams Ergebnisse konkretisiert und einen gewichtigen Mangel seiner Versuchsanordnung behoben. Erverfügte nämlich nur über eine sehr schmale Datenbasis: Wenige hundert Personen beteiligten sich an dem Kettenbrief, und bloß ein paar Dutzend Briefe erreichten tatsächlich ihr Ziel. 2008 dagegen werteten Jure Leskovec und Eric Horvitz die Daten des beliebten Chat-Programms MSN Messenger von Microsoft aus und analysierten mehr als 30 Milliarden Nachrichten zwischen 240 Millionen Teilnehmern. So war eine Überprüfung von Milgrams Hypothese im globalen Maßstab möglich. Die durchschnittliche Pfadlänge, wie die Netzwerktheoretiker die Zahl der Verbindungsglieder zwischen zwei Personen nennen, betrug 6,6. An den sprichwörtlichen sechs Ecken ist also tatsächlich etwas dran.
    Wie erklärt sich dieser niedrige Wert angesichts von Hunderten Millionen auf der ganzen Welt verstreuten Internetnutzern, die in der Regel nur mit ihrem begrenzten Kreis von Freunden und Bekannten chatten? Die Antwort: In sozialen Netzwerken ist die Vernetzung nicht gleichmäßig verteilt. Während der Großteil der Beteiligten nur wenige Bekanntschaften pflegt, gibt es eine kleine Kommunikationselite mit besonders vielen Kontakten. Jeder kennt solche Vielvernetzten, die in jeder Stadt und auf jeder Party immer ein paar Leute kennen, Menschen, die überall mitmischen, so wie Paul Erdős in der Mathematikerwelt. Sie sind die dicken Knoten – Netzwerkforscher sprechen von „Hubs“ –, die dafür sorgen, dass die Wege von einem Punkt des Netzes zu einem beliebigen anderen schön kurz bleiben.
    Eine solche Netzwerkstruktur, die wenige Hubs mit vielen Verknüpfungen hat, erweist sich als sehr robust gegen Ausfälle einzelner Elemente – es sei denn, man eliminiert gezielt die Hubs – und als beliebig erweiterbar. Neuankömmlinge docken zumeist an existierende Hubs an, teilweise bilden sich im Laufe der Zeit aber auch neue dicke Knoten, sodass die Grundstruktur erhalten bleibt. Das Kleine-Welt-Phänomen ist dabei nicht auf soziale Netzwerke wie Messenger oder Facebook beschränkt: Auch das Internet selbst funktioniert nach diesen Regeln – wobei Websites die Rolle von Personen
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