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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Autoren: Anke Richter
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Report‹ drauf. Na also. Her mit dem Stift. Gut, dass es aufmerksame Journalisten gibt. Ich streiche das falsche Wort durch und schreibe ›squeezed‹ darüber. Das fühlt sich so viel besser an.
    Als Lukas von der Arbeit kommt, sieht er angespannt aus. Es gibt nur ein knappes Küsschen. Er wühlt in seiner Tasche, dann lockert er den Zwangsschlips. In Lukas’ neuer Klinik, dem städtischen Krankenhaus von Christchurch, trägt man in alter englischer Tradition Anzug statt weißem Kittel. Da spritzt es beim Blasenspiegeln schon mal ein wenig aufs feine Tuch. Otto und Jakob decken den Tisch. Er ist geliehen und aus Rimu-Holz, wie so vieles in unserem neuen Leben, denn unsere Sachen sind noch unterwegs. Rimu ist für Neuseeland, was einst die Kiefer für Ikea war. Lukas setzt sich schweigend an den Esstisch. Den Schlips hat er zerknautscht. Ich schlage das Wörterbuch zu, in dem ich eben noch nach ›squizeed‹ gesucht habe – sicher ist sicher.
    »Was haben eigentlich deine Kollegen gesagt?«, frage ich und verteile Salat. »Ist auf eurer Party immer noch Totentanz im Bombenhagel angesagt?«
    Irgendwann muss ich mir mal ernsthaft Gedanken um mein Kostüm machen.
    »Ach, die hatten wirklich volles Verständnis. Haben meine Einwände sofort verstanden.« Das klingt eine Spur zu sarkastisch. »Deshalb haben sie zuerst vorgeschlagen, das Motto zu ändern.« Er räuspert sich. »In ›Erster Weltkrieg‹.«
    Originelle Idee. Fast genauso lustig. Ich rolle meine Spaghetti auf. Lukas legt die Krawatte beiseite und greift sich eine Gabel.
    »Du kennst doch Hamish Dickinson –«
    »Der arrogante ältere Engländer?«
    »Ja, der so jovial tut, aber immer raushängen lässt, dass sein Vater bei der Royal Airforce war.«
    Lukas formt eine unsichtbare Pflaume mit dem Mund und näselt affektiert.
    »›Oh dear, der Erste Weltkrieg ist ja genauso unangenehm für Lukas. Den haben die Deutschen doch auch verloren. Das können wir dem Armen nicht antun!‹«
    Es klingt wie bei Monty Python, aber um einiges verletzter.
    »Na, bin ich froh, dass uns jemand versteht. Und habt ihr das Motto dann endgültig geändert?«
    »Ja. Es ist jetzt ›Kiwiana‹.«
    Das Wort steht sicher auch nicht im Langenscheidt, aber ich habe es immerhin schon mal gehört. Hamish Dickinson hat dank britischer Rücksichtsnahme ganze Arbeit für uns geleistet. Auf Lukas’ Antrittsempfang war der hoch gewachsene, glatt gekämmte Chefchirurg des St. Michael’s Privatkrankenhauses mit einem Glas Chardonnay auf mich zugetreten. Nach kurzer Musterung hatte er mir eine Hand mit Siegelring entgegengestreckt.
    »Hamish. Nice to meet you!«
    Wie erfrischend, dass man Professoren- und Doktortitel in diesem Land einfach unter den Tisch fallen lässt, dachte ich.
    »Anke«, sagte ich und nahm seine Hand.
    Er wiederholte meinen Namen mit höflich unterdrücktem Erstaunen: »Han-ka?« Die erste Silbe sprach er seltsam gedehnt aus, so dass sie wie das englische Wort für »Hunne« klang.
    »Es bedeutet ›Little Ann‹«, sagte ich und wurde rot.
    Mit feinem Oxbridge-Akzent fragte er mich, woher ich denn komme.
    »Aus Köln«, hatte ich geantwortet.
    »Ahh«, er nahm einen tiefen Schluck und lächelte noch vornehmer, »Köln kenne ich. Hat mein Vater überflogen.«
    Ich verstand erst nicht ganz.
    »Also, zerbombt«, schob Dickinson nach. »Prost!«

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    Heute hier, morgen dort
    AUßER DER UROLOGENPARTY und orthografisch unreinem Orangensaft bereitet mir vor allem das Krokodil Kopfzerbrechen. ›Krokodil‹ klingt etwas größer und gefährlicher, als es ist. Eigentlich ist es ein ägyptischer Kaiman und kaum länger als mein Arm. Ich habe es vom Flohmarkt und kenne es so lange wie meinen Mann. Es hat also Dauerbleiberecht. Kurz vor unserem Abflug aus Deutschland musste ich mir von einem Zoologen zertifizieren lassen, dass das Viech keiner bedrohten Gattung angehört, sondern ein harmloses Souvenir aus den Vierzigerjahren ist. Es war eine komplizierte Aktion aus etlichen Fotos und E-Mails, die zum Beispiel so begannen: ›Sehr geehrte Frau Richter, können Sie die rechte Rückenschuppung bitte noch mal im Detail mit besserer Beleuchtung aufnehmen?‹
    So ein Auslandsumzug ist wirklich ein Klacks. Den macht man mit links, wenn man sich danach für einen Monat in eine Rehaklinik zurückziehen kann. Wenn man allerdings nach zwei Wochen Kistenpacken, Verabschieden, Listen abhaken, Wohnung übergeben, Auto verkaufen, Versicherungen abmelden und
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