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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Autoren: Anke Richter
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den sie nur aus dem Internet kannte, scheiterte nach fünf Tagen – er war viel älter, als sie dachte, und lebte zwischen Müllbergen.«
    Eine Zeitungsseite aus der KREIS -Zeitung wird eingeblendet. Wo haben die bloß das Foto vom Horrorhaus her?
    »Seitdem hat Janette eine Katzen-und-Hühner-Phobie. Aber Neuseeland war immer ihr Traum. Sie will es wieder versuchen …«
    Eva drückt auf die Fernbedienung. Janette samt Geige verschwinden im Kasten.
    »Jetzt ist zumindest klar, wer von uns das Sorgerecht bekommt«, sagt Eva, nachdem ihre Gebisshälften wieder zueinandergefunden haben. »Ich kann das große Finale kaum erwarten. Bin ich froh, wenn die Scheidung durch ist.«
    Ich versuche mir Haki Waiomio als Stiefvater vorzustellen. Wie er Takaka auf der Gitarre vorspielt und sie mit zu den Aunties auf den Marae nimmt. Sicher schnitzt er ihr einen Anhänger aus Walknochen oder bastelt Poi-Kugeln zum Herumwirbeln aus Flachsknäueln. Oder aus alten Handys.
    »Eva Waiomio … klingt irgendwie gut.« Ich habe wohl zu laut gedacht.
    »Wovon redest du?« Sie schaut mich irritiert an und drückt mir die DVD in die Hand. »Hier, falls du den Fernsehstar interviewen willst. Ich glaube, der kommt noch ganz groß raus.«
                
    Es ist Rosenmontag, auch wenn den in Christchurch niemand kennt. Der dritte Montag im Februar. Eva zieht sich ihre Skibrille auf. Ihr frisch geschnittener Pagenkopf endet in einer Stirntolle, so wie bei den Mädchen aus der Wandervogelbewegung. Sie hat was von Sophie Scholl.
    »Da müssen wir durch«, stöhnt sie.
    Tarnung ist alles. Ich studiere durch die Schlitze meiner Piratenmaske den Infozettel. Er ist diesmal auf Englisch. Kölsche Karnevalsparty im Ungarischen Club in Christchurch, erstmalig in Neuseeland, Motto: M’r han all ens klein ahnjefange (für Nichtkölner: ›We all once started small‹). Statt der großen Prunksitzung mit Blasorchester findet ein bunter Vereinsabend statt. Aber immerhin. Herr Maibach stellt die erste organisierte deutsche Karnevalsfeier in diesem Teil der Welt auf die Beine. Wenn das kein Grund ist, sich zu amüsieren. Die Karnevalsvorschriften auf dem Zettel helfen bei der Vorbereitung: Ein ›funny hat‹ (lustiger Hut) oder ›lipstick-painted heart‹ (Lippenstift-Herz) seien erwünscht. Lippenstifte würden angeboten, ›to help you fit in‹ (um besser dazu zu passen), genauso wie ›German-style food‹.
    »Da müssen wir durch«, sagt Eva wieder und nimmt einen kräftigen Zug aus der Sektflasche, bevor wir den Club erreichen. ›Köllegirl‹ steht auf ihrem T-Shirt. Auffallen werden wir hoffentlich nicht. Ich habe Otto dabei. Er ist als Zauberer ausstaffiert und hüpft wie ein Flummi auf einem Hexenbesen auf und ab. Wird Zeit, dass er sich mit den kulturellen Wurzeln seiner Vorfahren vertraut macht, wo er doch schon kein echtes deutsches Weihnachten mehr kennt. Unsere beste Tarnung ist Evas Schwiegermutter im Raubtierlook, die wir im Schlepptau haben. Sie kommt aus Thüringen, aber egal.
    Im Saal stehen zwei Reihen langer Tische in Schunkelausrichtung gen Großbildfernseher, flankiert von einer 1.-FC -Köln-Fahne, der ungarischen Flagge und Weihnachtsschmuck vom vergangenen Jahr. Menschen in lustigen Hütchen und Lippenstiftherzen sitzen an den Tischen. Geredet wird kaum. Die Hütchenträger starren in ihr Bierglas oder auf den Bildschirm, wo die Aufzeichnung einer Prunksitzung aus dem Kölner Gürzenich läuft. Da tobte aber der Bär! Leider ist das Video just in dem Moment zu Ende, als wir uns setzen. Die nächsten fünf Minuten dröhnt Werbung auf uns herab. Eva bestellt sich ›Halver Hahn (mit oder ohne Öllich) für 4,50 Dollar‹, Schwiegermutter zwei Mettwürstchen mit Kartoffelsalat, Otto will nur Limo. Der Halve Hahn ist ein Käsebrötchen, Öllich sind rohe Zwiebeln, und der Kartoffelsalat ist wirklich Kartoffelsalat, wenn auch etwas bleich.
    Durch die Reihen irrt rotgesichtig und glücklich das Festkomitee Rheinischer Karneval in der Person von Jochen Maibach, in goldroter Karnevalskappe und mit Orden behangen. Ich hatte ihn mir vom Telefon her dicker und kahlköpfiger vorgestellt. Herr Maibach ist für seine Veranstaltung nicht genug Karten losgeworden. Daher rief er angeblich wahllos bei eingewanderten Deutschen an, die er im Telefonbuch von Christchurch gefunden hatte, und lud sie persönlich ein. Ein guter Trick, vor allem, wenn man unter »Sch« guckt (aber Vorsicht: Schaap und Schouten sind meistens Holländer, die
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