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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Autoren: Anke Richter
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Karnevalstaugliches entscheiden.
    »Komm, du hast immerhin Dreadlocks«, sage ich, »Das sieht neben all den überkämmten Glatzen sicher jeck aus.«
    Ich verlasse den Laden mit einer somalischen Piratenmaske. Claude hat eine grüne Perücke und einen Flamenco-Rock erstanden.
    »Was willst du denn damit?«, frage ich. »Sag nicht, du trägst plötzlich Röcke!«
    »Vielleicht gehe ich ja mal als spanische Wasserleiche«, sagt sie und steigt zu Eva ins Auto.
    Mein Handy fiept. Eine SMS, all the way from the Vaterland. Dietmar Sägel aus Berlin. »Stress mit Tochter im Internat. Neuseeland würde ihr gut tun. Kommt nächstes Jahr als Austauschschülerin zu euch. O. k.?«
                
    »Morgen schneide ich die Dreadlocks endlich ab«, sagt Eva. »Ich gehe zum Friseur.«
    Wir hocken jeder mit einem Glas Weißwein in der Hand auf ihrem Sofa, zwischen uns ein gefilztes Kissen mit einem Silberfarnmotiv und die Tageszeitung. Auf Seite eins wird berichtet, dass Keas noch klüger sind, als bisher angenommen. In einer Studie in Japan knackten sie sogar Schlösser auf. Top Thema. Takaka sitzt auf dem Boden zwischen Legos und einem Berg Puppen auf einer Decke aus Possumfell und sortiert den Inhalt einer großen Keksschachtel um. So viel Unordnung mitten im Wohnzimmer hätte Jörg niemals zugelassen.
    »Holla! Neue Frisur heißt bei Frauen doch meistens … äh, Veränderung?« Ich zupfe an dem Filzfarn. Eva wird rot, aber statt mir zu antworten, greift sie sich die Fernbedienung und zielt auf den Fernseher in der Ecke.
    »Komm, lass uns das hier mal anschauen. Ich hab’s noch nicht gesehen.«
    Der DVD -Spieler springt an. Das Logo eines Privatsenders erscheint. Ein flottes Jingle, dann der Schriftzug: ›Affäre unter Palmen‹. Die Kamera gleitet über grüne Hügel und weiße Gletscher. Surfwellen an der Küste von Raglan, Schafe auf einer Weide. Koalabären. Koalabären? Da hat sich der Cutter im Kontinent vertan. Zoom auf eine Stadt. Eindeutig Christchurch. Die Kathedrale. Das Art Center. Gondolieri auf dem Avon River. Und schließlich: die blauweiße Markise von Jägi’s Brauhaus. Eva stöhnt auf.
    »O nein. Das halte ich nicht aus.«
    Aus dem Off ertönt die Stimme des Sprechers, jovial und glatt.
    »Suchen Sie das heimliche Abenteuer? Eine neue Liebe? Exotik, fremde Länder und den besonderen Kick? Dann sind Sie reif für ›Affäre unter Palmen‹.«
    Wieder dudelt die Musik, und der Name der Folge taucht auf. Es ist die siebte: ›Komm zu mir unters Schaffell‹. Evas Hände krallen sich ins Filzkissen. Sie schaut mich an, als ob sie einen Notausgang sucht. Die Fernsehstimme ölt weiter. »Hundertfünfzigtausend Deutsche verlassen jedes Jahr unser Land. Etliche scheitern mit ihrem Traum vom neuen Glück. Die Herausforderungen sind zu groß. Sie sind einsam in der Fremde.«
    Digeridoo-Musik erschallt. Es kommt noch schlimmer. Jetzt sehen wir Jörg. Er joggt allein am Strand, in zu knappen Badehosen, mit eingezogenem Bauch und künstlichem Karamellteint.
    »Daddy, da!« Takaka kräht und zeigt auf den Bildschirm.
    »Hat der Arsch sich etwa einen Spraytan verpassen lassen?«, stößt Eva fassungslos hervor. Ich ahne, was Jägi alles durchgemacht hat, um ins Fernsehen zu kommen.
    »In Deutschland wiederum suchen Tausende täglich nach einem Abenteuer – am besten in der Ferne. Wir verkuppeln ausgewanderte Singles mit Menschen, die den schnellen Urlaubsflirt suchen. Eine Woche lang Romanze im Ausland, mit allen Risiken und Pannen. Unser Kandidat heute: Kneipenwirt Jörg in Neuseeland.« Kurzer Schwenk auf Jägi hinterm Zapfhahn. Auf seiner rechten Karamellbacke sieht man deutlich einen hellen Streifen. Er muss sich mit frischem Selbstbräuner im Gesicht ins Kopfkissen gedreht haben, der Anfänger. Die Stimme plärrt weiter.
    »Wenn Jörg Olewski an der Aufgabe scheitert, wird er für immer abreisen und Neuseeland den Rücken kehren. Aber erhält er Bestnoten von seiner Bettpartnerin, dann kommt er ins große Finale!« Tusch.
    Eva starrt mit offenem Mund auf den Schirm. So sieht man bei einer Wurzelbehandlung aus. Ohne Betäubung. Arme Eva. Ich gieße ihr schnell vom Sauvignon Blanc nach. Die Sendung ist mittlerweile bei der potenziellen Affäre in Deutschland gelandet. Die Dame, die für Jogger Jägi auserkoren wurde, posiert in einem gepunkteten Bikini neben einem Notenständer auf einem Balkon, der wie Plattenbau anmutet.
    »Janette ist Geigenlehrerin und lebt in Dresden. Ihre Verlobung mit einem Mann,
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