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Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Titel: Was ist koscher - Jüdischer Glaube
Autoren: Paul Spiegel
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vorbei!
    Das alles ist ein Beweis dafür, wie sehr sich Deutschland politisch gewandelt hat, ein Beweis aber auch dafür, wie sehr sich Juden in Deutschland nun doch zu Hause fühlen.
    Allerdings – ohne ein Allerdings geht es nicht – die Beziehung zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland ist keineswegs ungetrübt. Der Antisemitismus ist in Deutschland nach wie vor ein wichtiges Thema, das allerdings von vielen Seiten in seiner Problematik, in seiner Dimension weit unterschätzt wird. Neo-Nazis sind das eine, das andere ist ein wiedererwachender »normaler« Antisemitismus, der insbesondere nach der Wiedervereinigung auch in den höchsten, besten Kreisen zu fi nden ist. Als ob sich das Angestaute unter dem Druck der Alliierten und aufgrund einer kollektiven Scham über mehrere Jahrzehnte endlich LuĞ machen will.
    Denn der Hass auf die Juden war in Deutschland mit dem 8.
    Mai 1945 nicht vorbei. Man äußerte ihn nur nicht mehr. Na-türlich gab es viele Deutsche, die entsetzt waren, als sie das 308
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    ganze Ausmaß des deutschen Rassenwahns erkannt haĴ en.
    Doch viele Menschen ließen sich selbst von dem Grauen von Auschwitz nicht »bekehren«. Und zu jenen alten und neuen Nazis gesellen sich jetzt diejenigen, die unter dem Deckman-tel des »Anti-Zionismus« ihren antij üdischen Ressentiments freien Lauf lassen, oder auch jene, die es den Juden verübeln, dass sie angeblich dem deutschen Volk nicht erlauben, endlich einen Schlussstrich unter die Geschichte zu ziehen.
    Wie kann man als Jude nur in Deutschland leben? Diese Frage wurde dem kürzlich verstorbenen Psychoanalytiker Sammy Speyer aus Frankfurt in zahlreichen Vorträgen, die er im ganzen Lande hielt, von Deutschen immer wieder gestellt.
    Er antwortete darauf stets mit der Frage: »Und Sie, wie können Sie in Deutschland leben?« Denn der Irrsinn des Holocaust betriğ
    nicht nur uns Juden, sondern natürlich auch das Volk der Täter und deren Nachkommen.
    Als Jude heute in Deutschland zu leben wird von nieman-dem mehr als echtes Problem angesehen – mit Ausnahme der Ewiggestrigen (auch der jungen Ewiggestrigen). Natürlich bleibt aber eine gewisse Irritation bei vielen Menschen im Ausland, vor allem bei Juden. Es kommt auch heute noch vor, dass man in New York oder Tel Aviv gefragt wird, wie das Leben als Jude in Berlin, Frankfurt, München oder in meinem Fall in Düsseldorf so ist. Doch man wird kaum noch mit einer grundsätzlichen Ablehnung konfrontiert, eher mit Zweifeln oder manchmal auch mit schlichter Neugier. Und nachdem in den neunziger Jahren allmählich sowohl in ost- wie auch in westeuropäischen Ländern eine öff entliche DebaĴ e um die eigene Beteiligung am Holocaust eingesetzt hat, nachdem also der breiten Mehrheit in Europa immer klarer wird, dass auch ihre Länder, ihr Volk mehr oder weniger aktiv mit den Deutschen bei der Judenvernichtung kollaboriert hat, stellen 309
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    europäische Juden uns Juden in Deutschland immer seltener die Frage, warum wir hier leben. Vor allem französische Juden haĴ en uns gegenüber lange Zeit ein großes Vorurteil. Das ist inzwischen vorbei.
    Nach dem Bekenntnis des ehemaligen Staatspräsidenten François MiĴ erand, zuerst für Vichy-Frankreich gearbeitet zu haben, ehe er in die Resistance ging, wurde die Kollaboration der Franzosen Tagesgespräch. Die Prozesse um Nazigrößen wie Maurice Papon, wie Klaus Barbie, Präsident Jacques Chi-racs Entschuldigung für die Beteiligung am Judenmord im Namen des französischen Volkes haben französische Juden sensibler werden lassen gegenüber uns Juden in Deutschland.
    Doch natürlich ist es nicht so, dass wir hier in Deutschland jeden Tag mit dem Gedanken an den Holocaust aufste-hen und mit eben denselben Gedanken wieder ins BeĴ gehen.
    Nein, wir führen ein normales Leben wie alle anderen Menschen auch, wir sind gefangen in unseren mehr oder weniger wichtigen Alltagssorgen, wir leben mit unseren Familien, unseren Freunden, wir gehen unseren Berufen nach und freuen uns grundsätzlich, in einem demokratischen Staat zu leben, der uns als Individuen alle Freiheiten lässt. Dass hier nicht immer alles zum Besten steht, dass jüdische Existenz immer noch schwierig ist in Deutschland, hat miĴ lerweile weniger mit dem Antisemitismus der Deutschen zu tun als vielmehr mit innerjüdischen Problemen, die jede religiöse GemeinschaĞ heute kennt: Die zunehmende
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