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Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Titel: Was ist koscher - Jüdischer Glaube
Autoren: Paul Spiegel
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waren. Im polnischen Kielce waren es an einem einzigen Tag 46 Tote. 46 Juden, die die Vernichtungslager überlebt haĴ en, wurden nun, ein Jahr nach Ende des großen Schlachtens, von den Polen ermordet.
    Sie fl ohen – nach Deutschland, in die amerikanische Zone.
    Zionistische Untergrundorganisationen wie die »Bricha« hal-fen dabei. Ein Massenproblem sollte provoziert werden. Die Amerikaner sollten mit den vielen Juden in ihrer Zone nicht mehr zurechtkommen und deshalb die Briten unter Druck setzen, so dass sie die Juden nach Palästina ließen. Doch den Briten war das herzlich egal. Sie reagierten nicht. Und so versuchten viele Juden, illegal nach Palästina zu gelangen. Die Geschichte des Schiff es »Exodus« ist nur eine von vielen. Und wer auf hoher See von den Briten erwischt wurde, wurde wieder in ein Lager gebracht, ein Internierungslager – diesmal auf Zypern.
    In den DP-Camps bemühte man sich, allmählich zur Zivilisation zurückzufi nden. Man begann Theater zu spielen, Musikauff ührungen zu organisieren, man politisierte, lernte Thora und Talmud, gründete Zeitungen, veranstaltete Lese-abende – alles nur, um endlich wieder Mensch zu werden.
    Man schaute nach vorne, schöpĞ e Hoff nung, wartete auf die Möglichkeit auszuwandern. Neue Familien wurden gegründet als Ersatz für die alten, für die ermordeten. Kinder waren wichtig. Sie waren die Hoff nung, die ZukunĞ , das Leben. In den Jahren 1945 bis 1947 vermehrte sich nirgendwo auf der Welt eine jüdische GemeinschaĞ schneller als in Deutschland.
    In den DP-Lagern kamen über 2000 Kinder in kürzester Zeit 301
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    zur Welt. Sie wuchsen in einer überwiegend jiddischen Welt auf, in der Welt der Camps, diesem letzten Abglanz des einstigen, osteuropäischen Stetls. Schulen wurden in den Lagern errichtet, die Kindern lernten auf Jiddisch und Hebräisch, ein bisschen Deutsch war auch dabei ...
    Die Jahre gingen ins Land, und die meisten haĴ en das Glück, Deutschland verlassen zu können. Viele wanderten in die USA, nach Kanada, nach Australien oder nach Israel aus, bereits 1948 war das Gros der mehr als 200000 DPs aus Deutschland wieder verschwunden. Lediglich ein »harter Kern« blieb zurück, etwa 12000 Menschen. Sie waren die Keimzelle dessen, was heute als jüdische GemeinschaĞ in Deutschland verstanden wird.
    Und warum waren sie geblieben? Warum blieben sie im Lande der Mörder?
    Krankheit war ein Grund. Viele waren immer noch von der Zeit im KZ gezeichnet. Tuberkulose, Herz-Kreislauf-Störungen, Depressionen – was auch immer es war, diese Menschen haĴ en einfach keine KraĞ mehr, woanders hinzugehen. Andere wiederum blieben, weil sie merkten, dass sie im zerstörten Deutschland am schnellsten zu wirtschaĞ lichem Erfolg kommen könnten, wieder andere – es waren meistens deutsche und nicht osteuropäische Juden – wollten in ihrer alten Heimat, ihrer Kultur und Sprache bleiben. Das war vor allem im Norden der Fall. Waren im Süden Deutschlands, insbesondere in München und Frankfurt, überwiegend ostjüdische DPs, so gab es in Berlin, in Hamburg, in Köln und Düsseldorf viele deutsche Juden, die mit den Ostjuden zusammen schließlich die neuen Gemeinden schufen. Manche haĴ en den Krieg im deutschen Untergrund überlebt, wie etwa der Schauspieler Michael Degen und der Talkmaster Hans Ro-senthal (»Dalli-Dalli«) in Berlin. Die Erfahrung, von anstän-302
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    digen Deutschen gereĴ et worden zu sein, machte es ihnen leichter, in Deutschland zu bleiben, weil sie auch das »andere« Deutschland kannten.
    Manche deutsche Juden kamen aus dem Ausland zurück, andere, wie etwa mein Vater, aus den Konzentrationslagern.
    Sie haĴ en überlebt, und für sie stellte sich gar nicht die Frage, ob man zurückgehen solle oder nicht – schließlich war Deutschland die Heimat, wichtiger aber noch: Deutsch war die Kultur, mit der man aufgewachsen war, Deutsch war die MuĴ ersprache. Wohin denn sonst, wenn nicht nach Deutschland, sollte man gehen?
    Die Mehrheit der einstmals deutschen Juden, die überlebt haĴ en, kam aber nicht mehr zurück. Für sie war der Weg in die alte Heimat mental versperrt. Sie wollten nicht in das
    »Land der Mörder« zurückkehren, Deutschland haĴ e für sie nach 1945 keine andere Bedeutung mehr.
    Warum der eine sich für, der andere gegen Deutschland entschied? Die Frage ist pauschal einfach nicht zu beantworten. Jeder haĴ
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