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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt
Autoren: Allison Winn Scotch
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es wirklich komisch war, vor allem, weil es bei mir genau umgekehrt ist.
    Und jetzt steht glorreich der Triumphbogen vor mir, und nach einem andächtigen Augenblick stoße ich die Schwingtüren auf und betrete den Saal.
    Die Turnhalle bebt vor rasenden Teenagern mit tobenden Hormonen, deren Sinne dank gepanschter Bowle oder heimlich mitgebrachter Flachmänner betäubt und geschärft zugleich sind. Ich winke ein paar von ihnen zu, bleibe kurz stehen, um CJ zu umarmen. Johnny Hutchinson hat schon wieder mit ihr Schluss gemacht; das hat mir die Gerüchteküche letzte Woche zugetragen. Und jetzt drückt sie sich, wie nicht anders zu erwarten, in der Ecke herum, in ihrem gelben Ballkleid, aus dem die Brüste über dem Seidenblumenbouquet fast herausspringen. Eine Taktik, eindeutig um Johnny Hutchinson zurückzulocken, auch wenn ich ihretwegen hoffe, dass die Mission misslingt. Sie würde sonst nur bedauern, ihn zurückzulassen, wenn sie geht.
    «Alles wird gut; und jetzt geh und amüsiere dich», sage ich zu ihr, als wir uns aus der Umarmung lösen.
    «Er ist ein Arschloch», sagt sie mit geschürzter Unterlippe.
    «Kann sein.» Ich zucke die Achseln. «Aber es wird trotzdem alles gut, so oder so. Viele sind Arschlöcher. Und genauso viele nicht. Im Grunde spielt es keine Rolle. Man definiert sich nicht darüber.»
    Ich bahne mir einen Weg durch den Lärm in Richtung DJ-Pult und Getränkestand, und dann entdecke ich Eli. Während so gut wie alle anderen im geliehenen Smoking stecken, hat er sich für einen dunkelblauen Anzug und eine lavendelfarbene Krawatte entschieden, eine prachtvolle Ausnahme inmitten einer Herde Schafe. Er lächelt so breit, dass seine Augenwinkel zu Fächern werden, winkt mich zu sich und stößt einen Pfiff aus, als ich vor ihm stehe.
    «Wow!», sagt er. «Ich bestehe darauf, dir einen Drink zu spendieren. Vorausgesetzt, du stehst auf undefinierbare Fruchtbowle.»
    «Aber gerne», sage ich lachend. «Das ist offensichtlich deine erste Prom Night, sonst hättest du das Zeug längst lieben gelernt. Ich lechze das ganze Jahr danach. Ach, und gratis ist es auch.»
    «Allerdings, das ist sozusagen mein erstes Mal.» Er nickt. «Na ja, jedenfalls mein erster Schulball, seit ich siebzehn war, um ehrlich zu sein. Ich hoffe, diesmal läuft es ein bisschen besser.» Wir schlängeln uns zum Getränkestand durch, und ich ziehe fragend die Augenbraue hoch. «Sagen wir einfach, ein paar von den Cola-Rum an dem Abend waren wohl gegen mich … genau wie mein Date, übrigens. Gott, war die sauer!» Er schüttelt den Kopf. «Oh Mann, dass mir das wieder einfällt! Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr daran gedacht.»
    Komisch , denke ich, und ich habe Ewigkeiten an nichts anderes gedacht . Ehe wir auch nur an unserer Bowle nippen können, blendet der DJ zu einem neuen Song über, einem langsamen Stück, das mich mit sich trägt, zurück, zu weit zurück, zurück zu vorher. If I should stay, I will only be in your way , schmettert Whitney Houston in voller Lautstärke.
    «Ach du meine Güte!», sagt Eli verächtlich und verdreht die Augen. «Weißt du noch?»
    «Natürlich.» Ich nicke, nicht nur weil ich damals mit Tyler dazu getanzt habe, sondern weil der DJ es Jahr für Jahr gespielt hat. Bei den ersten Klängen habe ich Ty auf die Tanzfläche gezerrt, die Arme um seinen Hals geschlungen, mich im Rhythmus gewiegt und in Erinnerungen an damals geschwelgt, als wir siebzehn waren. An damals; vorher.
    «Ich glaube, es ist so eine Art Prom-Night-Hymne», kichere ich. «Wenn ich ehrlich bin, ich habe diesen Song geliebt. Du weißt schon, die Bedeutung – And I will always love you und so weiter. Damals fand ich es total tiefgründig.»
    «Na, dann komm», sagt er, fährt mit einem Finger über meinen Arm, wirbelt mich im Kreis und zieht mich, ehe ich mich’s versehe, auf die Tanzfläche. «Machen wir das Beste draus.»
    Er zieht mich an sich, kräftig, selbstbewusst, und legt mir die Hand auf den unteren Rücken, als würde sie genau dorthin gehören. Ich lehne mich an seine Brust. Er riecht nach Ahornsirup. Ich lasse den Kopf gegen seine Schulter sinken, so wie schon einmal, schließe die Augen und atme tief ein. Es ist alles, was ich im Augenblick tun kann, alles, was ich im Augenblick geben kann, ein erster Schritt zurück auf den Berg.
    Als der Song zu Ende ist, küsse ich ihn auf die Wange, und wir gehen davon, mit beinahe ineinander verschränkten Fingern, etwas Unausgesprochenes zwischen uns, etwas leise
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