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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
Autoren: Michelle Hodkin
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dunkle Ringe unter den Augen und ihre für gewöhnlich perfekt manikürten Fingernägel waren abgesplittert.
    »Welchen Tag haben wir?«, fragte ich leise.
    »Wasglaubst du denn?« Meine Mutter liebte es, Fragen mit Gegenfragen zu beantworten.
    Ich rieb mir das Gesicht. Meine Haut schien bei der Berührung zu knistern. »Mittwoch?«
    Meine Mutter sah mich eindringlich an. »Sonntag.« Sonntag. Ich wandte die Augen ab und sah mich im Krankenzimmer um. Die Blumen waren mir vorher nicht aufgefallen, aber sie waren überall. Direkt neben meinem Bett stand eine Vase mit gelben Rosen, Rachels Lieblingsblumen. Eine Kiste mit Dingen von zu Hause stand auf einem Stuhl neben dem Bett. Eine alte Stoffpuppe, die meine Großmutter mir hinterlassen hatte, als ich noch ein Baby war, lümmelte sich darin und hatte den schlaffen Arm auf den Rand der Kiste gelegt.
    »An was erinnerst du dich, Mara?«
    »Wir haben am Mittwoch eine Arbeit in Geschichte geschrieben. Ich bin von der Schule nach Hause gefahren und …«
    Ich grub in meinen Gedanken und Erinnerungen. Ich hatte mir einen Müsliriegel aus der Küche geholt, war in mein Zimmer gegangen, hatte die Tasche fallen gelassen und die Thebanische Trilogie von Sophokles herausgeholt. Ich hatte geschrieben und mich anschließend mit meinem Skizzenbuch beschäftigt. Dann … nichts mehr.
    Langsam packte mich eine schleichende Furcht. »Das war’s«, sagte ich zu meiner Mutter und sah ihr ins Gesicht.
    Ein Muskel zuckte über ihrem Augenlid. »Ihr wart im Tamerlane –«, setzte sie an.
    »Oh Gott.«
    »DasGebäude ist eingestürzt. Jemand hat es am Donnerstag, um drei Uhr morgens, gemeldet. Die Polizei hat dich gehört, als sie dort ankam.«
    Mein Vater räusperte sich. »Du hast geschrien.«
    Meine Mutter warf ihm einen bösen Blick zu, ehe sie sich wieder mir zuwandte. »Du bist beim Einsturz in einer Luftblase im Keller eingeschlossen worden, aber als sie sich zu dir vorgearbeitet hatten, warst du bewusstlos. Es kann sein, dass du ohnmächtig geworden bist, weil du dehydriert warst, vielleicht ist aber auch etwas herabgestürzt und hat dich bewusstlos geschlagen. Du hast ein paar blaue Flecken«, sagte sie und schob mein Haar beiseite.
    Ich spähte an ihr vorbei und sah ihren Oberkörper im Spiegel über dem Waschbecken. Wie sahen »ein paar blaue Flecken« wohl aus, wenn einem ein Gebäude auf den Kopf gefallen war?
    Ich richtete mich auf. Die stummen Krankenschwestern erstarrten. Sie benahmen sich eher wie Wachposten.
    Meine Gelenke protestierten, als ich den Kopf über das Gitter am Fußende reckte, um nachzusehen. Meine Mutter schaute mit mir in den Spiegel. Sie hatte recht. Ein bläulicher Schatten leuchtete über meinem rechten Wangenknochen. Ich schob die Haare zurück, um nachzusehen, wie groß er war, aber da war nichts mehr. Ansonsten sah ich – normal aus. Normal für meine Begriffe und überhaupt. Mein Blick wanderte zurück zu meiner Mutter. Wir waren so verschieden. Ich hatte so gar nichts von ihren zarten indischen Zügen; weder das vollkommen ovale Gesicht noch die pechschwarzen Haare. Stattdessen fanden sich bei mir die Patriziernase und das Kinn meines Vaters wieder. Und abgesehen von dem einen Bluterguss sah ich überhaupt nicht aus, als wäre ein Haus über mir eingestürzt. Beim Anblick meines Spiegelbildes kniff ich die Augen zusammen. Dann lehnte ich mich in die Kissen zurück und starrte zur Decke.
    »Die Ärzte sagen, du wirst wieder völlig gesund.« Meine Mutter lächelte matt. »Du kannst sogar heute schon nach Hause, wenn du dich gut genug fühlst.«
    Ich richtete den Blick auf die Krankenschwestern. »Und warum sind die hier?«, fragte ich meine Mutter und starrte die beiden unentwegt an. Sie waren mir unheimlich.
    »Sie haben sich seit Mittwoch um dich gekümmert«, erklärte meine Mutter. Sie nickte der Schwester mit dem Striemen auf der Wange zu. »Das ist Carmella«, sagte sie und wies dann auf die andere Schwester. »Und das Linda.«
    Carmella lächelte, doch es lag keine Wärme darin. »Du hast einen ordentlichen rechten Haken.«
    Ich legte die Stirn in Falten und sah zu meiner Mutter auf.
    »Du bist durchgedreht, als du das erste Mal zu dir kamst, und sie mussten hierbleiben und aufpassen, dass du dich und andere nicht gefährdest.«
    »Das passiert ständig«, sagte Carmella. »Aber wenn du das Gefühl hast, wieder die Alte zu sein, können wir gehen.«
    Ich nickte. Meine Kehle war wie ausgetrocknet. »Danke. Tut mir leid.«
    »Kein Problem,
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