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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
Autoren: Michelle Hodkin
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wieder in die unbarmherzige Hitze hinaus und machte mich auf den Rückweg. Die Tür zum Klassenzimmer stand immer noch offen; ich hatte vergessen, sie nach meinem abrupten Abgang zu schließen, und konnte hören, wie der Lehrer von irgendeiner Gleichung schwallte. Ich holte tief Luft und trat vorsichtig ein.
    In Sekundenschnelle war der Lehrer neben mir. Die dicken Brillengläser verliehen seinen Augen etwas Insektenartiges. Unheimlich.
    »Oh, Sie sehen viel besser aus. Bitte setzen Sie sich doch hierhin. Ich bin übrigens Mr Walsh. Ihren Namen habe ich vorhin nicht verstanden.«
    »Mara. Mara Dyer«, sagte ich mit schwerer Zunge.
    »Nun, Ms Dyer, Sie verstehen es jedenfalls, sich in Szene zu setzen.«
    Das leise Lachen der Klasse verharrte in der Luft.
    »Na ja, äh, war bloß ungeschickt.« Ich setzte mich auf den Platz in der ersten Reihe, auf den Mr Walsh gedeutet hatte, an einen leeren Tisch, der parallel zum Lehrerpult und am dichtesten bei der Tür stand. Bis auf meinen waren alle Plätze in dieser Reihe unbesetzt.
    Acht qualvolle Minuten und siebenundzwanzig endlose Sekunden schmorte ich regungslos im siebten Kreis meiner eigenen Hölle. Ich lauschte der Stimme des Lehrers, doch ich hörte nichts. Die Scham überlagerte alles und jede Pore meiner Haut fühlte sich grausam nackt an, den gierigen Blicken meiner Klassenkameraden preisgegeben.
    Ich versuchte nicht auf das Geflüster zu achten, das ich hören, aber nicht verstehen konnte. Ich fuhr mir über den prickelnden Hinterkopf, als hätte die Hitze der unbekannten Blicke mir ein Loch ins Haar gebrannt und meine Kopfhaut freigelegt. Verzweifelt schaute ich zur Tür und wünschte mir, diesem Albtraum zu entkommen, wusste aber, dass das Geflüster nur noch schlimmer werden würde, sobald ich draußen war.
    Die Glocke läutete und verkündete das Ende meiner ersten Stunde an der Croyden Academy. Wirklich ein überwältigender Erfolg.
    Ich blieb hinter dem Massenexodus in Richtung Tür zurück, weil ich wusste, dass ich ein Buch und Informationen darüber brauchte, an welcher Stelle im Stoff sich die Klasse befand. Überaus höflich teilte Mr Walsh mir mit, dass man von mir erwartete, wie alle anderen auch die Trimesterprüfungen abzulegen, die in drei Wochen anstanden. Dann ging er an sein Pult zurück, um seine Unterlagen zu ordnen, und überließ mich dem, was der restliche Vormittag für mich bereithielt.
    Er verlief herrlich ereignislos. Als die Mittagspause anbrach, beschloss ich, mir ein ruhiges, abgelegenes Plätzchen zu suchen, wo ich sitzen und das Buch lesen konnte, das ich mitgebracht hatte. Meine Brechvorstellung hatte mir den Appetit verdorben.
    Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang ich die Treppe hinunter und ging bis zu dem Zaun, der die Grenze des Schulgeländes markierte und an ein großes, unbebautes Grundstück grenzte. Hohe Bäume überragten die Schule und hüllten eines der Gebäude komplett in Schatten. Der unheimliche Schrei eines Vogels zerriss die unbewegte Luft. Ich befand mich ohne Zweifel in irgendeinem protzigen Jurassic Park -Albtraum. Ich setzte mich auf den Boden und schlug das Buch dort auf, wo ich zu lesen aufgehört hatte, merkte aber bald, dass ich ein- und denselben Absatz immer wieder las, und gab auf. Wieder wurde mir die Kehle eng. Ich lehnte mich an den Maschendrahtzaun, dessen Metall sich mir durch den dünnen T-Shirtstoff ins Fleisch bohrte, und schloss die Augen.
    Hinter mir lachte jemand.
    Mein Kopf fuhr in die Höhe und das Blut gefror mir in den Adern. Das war Judes Lachen. Judes Stimme. Ich stand langsam auf und suchte den Zaun und das Dickicht ab.
    Nichts als Bäume. Natürlich. Denn Jude war tot. Genauso wie Claire. Und Rachel. Was bedeutete, dass ich in weniger als drei Stunden drei Halluzinationen gehabt hatte. Das war nicht gut.
    Ich wandte mich zum Campus um. Er war leer. Ich sah auf die Uhr und bekam Panik. Mir blieb nur noch eine Minute bis zum Beginn der nächsten Unterrichtsstunde. Ich schluckte, schnappte mir meine Tasche und lief auf das nächste Gebäude zu. Doch als ich um die Ecke bog, blieb ich wie angewurzelt stehen.
    Jude stand etwa zwölf Meter von mir entfernt. Ich wusste, dass er nicht dort sein konnte, dass er nicht dort war, aber er war trotzdem da und sah mir unter dem Schirm der Patriots-Baseballkappe, die er nie abnahm, unfreundlich entgegen. Er sah aus, als wollte er etwas sagen.
    Ich wandte mich ab und sah zu, dass ich Land gewann. Am Ende rannte ich. Einmal drehte ich mich um,
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