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Was die Seele krank macht und was sie heilt

Was die Seele krank macht und was sie heilt

Titel: Was die Seele krank macht und was sie heilt
Autoren: Thomas Schäfer
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müsse, als dieser annehme, denn es gehe ihm immer noch schlecht. Der Psychoanalytiker beharrte weiter auf seiner Deutung. In dem Traum des Mannes wurde nun deutlich gezeigt, daß die Sichtweise des Analytikers in diesem Falle wenig hilfreich war. Bei dem Klienten ging es um die Würdigung der Selbstmörder im Familiensystem. Dieses Beispiel zeigt anschaulich, wie Hellingers systemische Sichtweise vielen psychotherapeutischen Methoden aus verfahrenen Situationen heraushelfen kann.
    Ein weiteres Puzzlestück auf Hellingers Weg zum Familienstellen war die Lektüre von Boszormenyi Nagys Buch »Unsichtbare Bindungen«. In diesem Buch wird die Idee des Ausgleichs in Familiensystemen beschrieben, wie man ihn über mehrere Generationen hinweg beobachten kann. Anschließend hat sich Hellinger mit der in den siebziger Jahren immer bedeutender werdenden Familientherapie beschäftigt. Er besuchte ein Seminar bei Ruth McClendon und Les Kadis. Später hat er Familienaufstellungen bei Thea Schönfelder beigewohnt. Beim Schreiben eines Vortrags über »Schuld und Unschuld in Systemen« ist ihm plötzlich aufgefallen, daß es eine Ursprungsordnung gibt: Das Frühere hat Vorrang vor dem Späteren. Danach begann Hellinger mit der von ihm entwickelten Form von Familienaufstellungen.
    Zu der Hellinger eigenen Art des Arbeitens gehört das Erzählen von Geschichten. Wenn es in der Arbeit mit dem Klienten eine Blockade gibt, erzählt er gerne eine humorvolle oder nachdenklich stimmende Geschichte. Durch die Erzählung hat der Klient nicht mehr direkt mit Hellinger zu tun, sondern mit den Personen der Handlung. Dieser größere Abstand zum Therapeuten kann manchmal im Klienten etwas in Bewegung bringen. Zuweilen erzählt Hellinger Geschichten gar nicht direkt an den Klienten gerichtet, sondern einem Dritten. Diese indirekte Arbeitsweise geht, genau wie das Geschichtenerzählen, auf den Einfluß des amerikanischen Hypnotherapeuten Milton Erickson zurück.
    Erickson erkannte den Menschen so an, wie er ist. Als Hypnotherapeut war Erickson sehr sensibel in seiner Wahrnehmung. Er verstand die unscheinbarsten Körpersignale eines Menschen. Manche haben es vielleicht schon im Alltag erlebt, daß jemand eine Frage mit Ja beantwortet, während der Kopf mit leichtem Schütteln ein Nein signalisiert. Das Unbewußte denkt nämlich des öfteren ganz anders als das Bewußtsein. Ericksons Fähigkeiten im Erkennen der Sprache des Unbewußten haben legendären Ruf. So hatte er zum Beispiel durch längeres Beobachten einer Frau festgestellt, daß sich in ihrer Gestik und in ihrem Gang minimal etwas verändert hatte: Fr beglückwünschte sie zu ihrer Schwangerschaft. Die Frau war völlig erstaunt, denn sie fühlte sich nicht schwanger. Fin Arztbesuch jedoch bestätigte Ericksons Wahrnehmung. Einen Transvestiten erkannte Erickson einmal daran, daß er einen Fussel anders vom Ärmel bürstete, als das Frauen gewöhnlich tun; er drehte seinen Ellenbogen nicht außen herum. 33
    Hellinger hat von Jeffrey Zeig, Stephen Lankton und anderen Schülern Milton Ericksons gelernt, auf diese minimalen Körpersignale zu achten. Diese Körpersignale stehen nicht selten in krassem Gegensatz zur bewußten Aussage des Klienten. Wenn Hellinger zum Beispiel einen Krebskranken fragt, ob er noch Hoffnung habe, verläßt er sich weniger auf die verbale Antwort, die natürlich häufig »ja« lautet, sondern auf die nonverbale: Wenn das Ja ohne Kraft gesagt wird und der Gesichtsausdruck Resignation widerspiegelt, ist dies die wichtigere Information. Die verblüffende Sicherheit, die Bert Hellinger während seiner Familienaufstellungen als Therapeut zeigt, hat vor allem mit der Treffsicherheit seiner gleichzeitig distanzierten und doch auch liebevoll anteilnehmenden Wahrnehmung zu tun.

Anhang II
    FAMILIENAUFSTELLUNG

»Lieber gehe ich als du, liebe Mama!«

    Beispiel einer Klientin mit langjährigem Diabetes und kürzlich diagnostizierter multipler Sklerose 34

    Bert Hellinger fragt im Publikum, ob ein Schwerkranker seine Familie aufstellen möchte. Es meldet sich eine Frau, die seit ihrer Jugend an Diabetes leidet und bei der vor kurzem multiple Sklerose diagnostiziert worden ist. Die Frau kommt auf die Bühne und setzt sich neben Bert Hellinger. 35

    H.: »Bist du verheiratet?«
    Brigitte: »Nein.«
    H.: »Kinder?«
    Brigitte: »Nein.«
    H.: »Ist etwas Besonderes passiert in deiner Herkunftsfamilie?«
    Brigitte: »Mein Vater ist gestorben, als ich fünf Jahre alt war. (Pause)
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