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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah
Autoren: James Kimmel
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nicht den Mut, sich die Pulsadern aufzuschneiden, und hielt Trauben für die bessere Möglichkeit.
    Bill nickt.
    »Aber ich dachte, du hast damals nur Kläger und nicht Beklagte vertreten.«
    »Die Weinbauern waren die Kläger«, antwortet Bill. »Es gab kein Zyanid. Die Angstmacherei war ein Schwindel, bei der Hunderte chilenischer Bauern alles verloren – Tausende Tonnen Obst wurden beschlagnahmt und vernichtet. Wir klagten, um die Regierung zu zwingen, das Embargo aufzuheben, und die Versicherungen dazu zu bringen, die Schadensersatzansprüche zu erfüllen. Und gewannen.«
    Draußen vor dem Fenster hinter Bills Schreibtisch lassen die leuchtend gelben Herbstblätter eines Ahornbaumes diesen im Sonnenlicht so aussehen, als stünde er in Flammen. Ein kleiner Spatz landet auf einem Ast und riskiert, verbrannt zu werden.
    »Ich hoffe, wir gewinnen auch diesen Fall«, sage ich.
    Darauf erwidert Bill nichts mehr, bis ich in der beklemmenden Stille merke, dass ich meinen Armstumpf reibe und Bill mich dabei beobachtet. Der Vogel im Ahornbaum fliegt davon. Er hat das Inferno überlebt.
    »Wann ist der Schriftsatz fürs Gericht fertig?«, fragt er.
    »Rohentwurf am Dienstag.«
    Er legt die Bestimmung zur Seite und blickt wieder auf die Akten vor sich. »Ich bin den ganzen Nachmittag im Gericht, und anschließend habe ich eine Gremiumssitzung. Dir ein schönes Wochenende.«
    »Danke, dir auch.« Ich sammle meine Sachen zusammen und erhebe mich, um zu gehen.
    »Das war sehr kreative Arbeit, Brek«, hält Bill mich auf, ohne den Kopf zu heben. »Nur wenigen Anwälten wäre so etwas aufgefallen.«
    »Danke.«
    Ich drehe mich wieder zur Tür, zögere jedoch. Ich bin dankbar für das seltene Kompliment, habe aber plötzlich ein schlechtes Gewissen. »Dann behält Alan Fleming wegen eines Formfehlers fünfhunderttausend Dollar, die ihm nicht gehören?«
    Bill seufzt enttäuscht. »Ja«, antwortet er. »Und mit etwas Glück werde ich heute Nachmittag einen Brandstifter wegen eines Formfehlers auf freien Fuß setzen. Aber nächste Woche werde ich einen unschuldigen Mann wegen desselben Formfehlers befreien, und mit einem rechtlichen Formfehler werde ich ein gerichtliches Verbot gegen den Müllplatz erwirken, auf dem Dioxin freigesetzt wird, das alle Barsche im Raystown Lake tötet. Man kann nicht das eine ohne das andere haben, Brek. Justitia hat verbundene Augen, weil sie nicht sehen soll, wer die Waagschalen belädt.«

4
    Ich kehre in mein Büro zurück. Draußen spiegeln sich die scharlachroten und jasminfarbenen Blätter der Bäume im Juniata River. Jedes für sich ist ein einzigartiges Abbild für den Herbst.
    Bill hat recht , denke ich. Ich tue nichts Unrechtes, wenn ich meinen Mandanten mit Hilfe eines Formfehlers verteidige. Eigentlich habe ich meine Aufgabe perfekt erledigt, und das System funktioniert wie vorgesehen, was man weiß Gott von einem System nicht sagen kann, in dem jemand wie Piper Jackson den Wetterbericht ansagt. Was mich daran erinnert, dass ich Bo im Studio anrufen wollte.
    »Hi«, meldet er sich. »Ich wollte dich gerade anrufen.«
    Ich gähne ziemlich laut und unerwartet. »Wow«, sage ich, »entschuldige. Es war ein langer Vormittag … Also, was gibt’s Neues? Wurde dieser Samurai-Krieger geschnappt, der die Nordküste Japans angegriffen hat? Ich habe gehört, er hat großen Schaden angerichtet.«
    »Sehr lustig«, erwidert er.
    »Klingt, als hätte er die Küste tatsächlich saké iert.«
    Bo stöhnt. »Das habe ich heute schon dreimal gehört – immer von Frauen. Ihr Mädels könnt so eifersüchtig und gemein sein. War alles in Ordnung, als du Sarah zur Kita gebracht hast?«
    » Ihr Mädels ?«, blaffe ich. »Eifersüchtig und gemein? Diese Frau ist ein plappernder Idiot. Wie hältst du sie nur aus?«
    Bo zögert, tut so, als hätte er Mühe, einen Grund zu finden. Ich weiß, er mag sie, auch wenn sie peinlich ist. Schließlich antwortet er, als stünde er hilflos einer unwiderstehlichen Kraft gegenüber: »Sie hat einfach wunderschöne … Wettervorhersagen.«
    »Du bist ein Schwein, Boaz«, erwidere ich. Er hasst es, wenn ich ihn mit seinem richtigen Vornamen anrede. Seine Eltern nannten ihn Boaz nach dem Ururgroßvater von König David und dem amerikanischen Soldaten, der die Familie seiner Mutter während des Zweiten Weltkriegs vor den Nazis gerettet hatte. »Sarah geht es gut. Sie hat ihre Babymilch über mein Kostüm gekippt.«
    »So was tut sie gerne«, erwidert Bo. »Ich bin auf dem Weg
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