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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah
Autoren: James Kimmel
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nach Harrisburg. Harlan Hurley wird diesen Nachmittag verurteilt. Ich soll darüber berichten, weil ich den Stein ins Rollen gebracht habe.«
    Barbara, meine Sekretärin, schiebt ihren Kopf durch die Tür und sagt, dass Alan Fleming gerade anruft. Ich bitte sie aufzuschreiben, was er will. »Wann kommst du nach Hause?«
    »Halb sieben oder sieben, wenn nichts dazwischenkommt«, antwortet Bo. »Müsste immer noch reichen, um das Abendessen zu machen.«
    »Was steht auf dem Speiseplan?«
    »Irgendwelche Wünsche?«
    Ich beginne mit dem handschriftlichen Entwurf der Argumente für Alans Urteil im beschleunigten Verfahren, ohne auf Bos Frage zu achten.
    »Hallo?«, ruft er. »Essen? Irgendwelche Wünsche? Ich merke doch, dass du schon wieder am Arbeiten bist.«
    »Was? Ja … der Schriftsatz fürs Gericht im Fleming-Fall. Entschuldige, ich habe gerade eine geniale Verteidigungsstrategie entdeckt. Sogar Bill war beeindruckt. Nein, mir fällt nichts zum Abendessen ein. Mach, was du denkst.«
    »Ich habe gehört, Hurleys Skinhead-Kumpel werden vor dem Gericht protestieren. Hast du dir heute Morgen den Schädel rasiert?«
    »Nein«, antworte ich. »Aber stimmt, eine Glatze steht mir ziemlich gut. Du hast ja meine Babyfotos gesehen.«
    »Weißt du«, beginnt Bo und ködert mich, weil Bill und ich Mitglieder in der amerikanischen Bürgerrechtsvereinigung »American Civil Liberties Union« sind, »für mich ist die freie Meinungsäußerung genauso wichtig wie für jeden anderen auch, besonders weil ich Reporter bin, aber Kundgebungen, bei denen die Unterdrückung und Ausrottung ethnischer Minderheiten gefordert werden, gehen doch ein bisschen zu weit. Warum sollten sie das Recht haben, öffentliches Eigentum zu nutzen, um Hass und Gewalt zu schüren?«
    Ich verliere den Faden und muss wieder zum Anfang meines Entwurfs zurückgehen.
    »Ehrlich, ich würde es gerne wissen«, drängt Bo. »Wie kannst du solche Leute verteidigen?«
    Dieses Thema haben wir bereits hundert Mal durchgekaut. »Wer entscheidet, welche Meinungsäußerung in Ordnung ist und welche nicht?«, antworte ich automatisch. »Es ist faszinierend, wie ihr liberalen Juden plötzlich konservativ werdet, wenn es um ein antisemitisches Thema geht. Man kann nicht beides haben, Bo. Deiner Theorie nach dürften Juden nicht für Israel demonstrieren, weil Israel die Palästinenser unterdrückt. Deine Mutter hat den Holocaust überlebt, und selbst sie glaubt, Antisemiten hätten das Recht auf freie Meinungsäußerung. Vielleicht solltest du ab und zu auf sie hören.«
    »Meine Mutter ist voreingenommen«, widerspricht Bo. »Und verrückt. Du bist nicht mal Jüdin, aber sie rennt rum und erzählt jedem in der Synagoge, du würdest den jüdischen Glauben besser leben als ich, weil du mit ihr dieses Jahr zum Gottesdienst an Rosch Ha-Schana und Jom Kippur gegangen bist. Weißt du eigentlich, wie schwer du mir das Leben machst?«
    »Mir schmeckt eben Challah-Brot«, erwidere ich.
    »Hurley ist nicht irgendein Antisemit mit einem großen Maul«, erklärt Bo. »Er war Finanzbuchhalter einer öffentlichen Bezirksschule und hat vom Lehrplan- und Lehrbuchbudget fast einhunderttausend Dollar seiner rechtsextremistischen Gruppe zugeschustert, um einen Dokumentarfilm zu drehen, mit dem der Holocaust geleugnet wird.«
    Jetzt das schon wieder! Das habe ich doch alles schon mehrfach gehört. »Ja, das ist empörend«, räume ich ein. »Aber er geht nicht ins Gefängnis, weil er den Holocaust leugnet. Den Tod von sechs Millionen Menschen zu leugnen ist vielleicht eine Beleidigung, gehört aber noch in den Bereich der freien Meinungsäußerung. Er wird für die Veruntreuung von Schulgeldern verurteilt, basta.«
    »Lass mich zu Ende erzählen«, unterbricht mich Bo. »Wir haben noch mehr herausgefunden. Das wird dir gefallen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Amina Rabun vor und vielleicht auch nach ihrem Tod Hurleys Rechtsextremistengruppe Die Elf finanziell unterstützt hat. Offenbar ist ihr Neffe oder so ähnlich Mitglied in dieser Gruppe. Ich glaube, er heißt Otto Bowles. Ist er dir irgendwann während eines Prozesses begegnet?«
    Jetzt wird mir klar, wohin das alles führt. Es geht nicht um die Vorherrschaft der weißen Rasse, es ist was Persönliches. »Nein, ich habe noch nie von ihm gehört. Aber genau hier musst du die Sache beenden, Bo. Wir haben Amina Rabun und ihre Cousine Barbara verklagt und gewonnen. Der Fall ist vorbei. Sie haben deiner Mutter eine Entschädigung
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