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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Autoren: Michael Winterhoff
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Älterwerdens schließlich zunehmend Fremdbestimmung erfahren, vor allem im Arbeitsleben, stehen sie vor einem fast unlösbaren Problem, da Fremdbestimmung in ihrem psychischen Konzept nicht vorgesehen ist. Das Tolerieren unterschiedlicher Frustrationen, das Aushaltenkönnen von nicht lustbefriedigenden Situationen, das Warten auf die Erfüllung eines Wunsches, all das wird zu krisenhaften Momenten, die die (Über-)Lebensfähigkeit des Individuums langfristig in Frage stellen.
    Wenn ich vom emotionalen Missbrauch des Kindes spreche, ist damit auch klar ausgedrückt, dass nur die Erwachsenenwelt in der Lage ist, die immer problematischere Lage zu entschärfen. Es kann also nicht darum gehen, Kinder strenger zu erziehen, sondern es muss ein Bewusstsein für die entstandenen Beziehungsstörungen bei allen erfolgen, die erzieherisch auf Kinder einwirken.
    So lange dieses Bewusstsein nicht vorhanden ist, sind wir in unserer Gesellschaft auf dem besten Wege, Kindheit als Phase menschlicher Entwicklung abzuschaffen. Das Kind wird quasi im Kreißsaal als kleiner Erwachsener in die Welt hineingeworfen und sofort in alles einbezogen, ohne dass über die Angemessenheit der Anforderungen nachgedacht wird. Das ist der Grund, warum sich heute Kinder in allen klassischen Erwachsenenbereichen wie selbstverständlich aufhalten. Anstatt zu sehen, dass damit jegliche Schutzbereiche innerhalb der Gesellschaft für Kinder abgeschafft werden, begreift der in der Projektion oder Symbiose befindliche Erwachsene diese Tatsache als Gewinn für das Kind, weil es damit in die Lage versetzt wird, ein gleichwertiger Partner zu sein.

Kapitel 9
    Wo wir hinkommen müssen: Die Beziehungsfähigkeit wieder herstellen - Kinder wieder als Kinder sehen
    Wenn wir die Entwicklung, die ich mit meiner Analyse aufzeige, so weiterlaufen lassen, geraten wir in die Gefahr, eine ganze Generation schlicht und ergreifend zu verlieren. Kinder, die von klein auf wie Erwachsene behandelt und gesehen werden, haben keine Chance, sich kindgerecht zu entwickeln und als Erwachsener wiederum einer neuen Generation gegenüber eine nicht nur erziehungsberechtigte, sondern auch erziehungsbefähigte Elternschaft zu sein.
    Die Tendenz in der Erwachsenenwelt ist fatal. Auf Grund des besonders in den letzten etwa zwanzig Jahren zu verzeichnenden extremen Wohlstands besteht aus tiefenpsychologischer Sicht die Gefahr einer stetigen Regression des Einzelnen. Die wahre, ursprüngliche Fremdbestimmung des Menschen durch Hunger, Durst, Kälte oder Krieg ist nicht mehr zu spüren und in der westlichen Gesellschaft weithin unvorstellbar geworden. Ein entsprechender Existenzkampf, der uns auf die Grundlagen unseres Daseins zurückwerfen würde, scheint auf lange Sicht nicht mehr erforderlich zu sein.
    Der moderne Mensch ist in Gefahr, immer egozentrischer und narzisstischer zu werden, sich selbst nur noch im Hinblick auf seine Eigenbedürftigkeit zu sehen. Er verliert damit
in letzter Konsequenz seine Eigenschaft als soziales Wesen, ist kein »zoon politikon« mehr, dem Aristoteles zufolge der Drang nach Gemeinschaft im positiven Sinne ganz natürlich innewohnt.
    Die nachlassende Frustrationstoleranz bringt eine immer geringere Leistungsbereitschaft mit sich, ein Fakt, dessen Brisanz dann richtig ins Auge fällt, wenn man sich deutlich macht, dass dieser Umstand für das Arbeitsleben genauso gilt wie für die Privatsphäre. In der Folge all dessen kommt es zur Auflösung von gewachsenen Strukturen. Die Häufung von Trennungen im Paarbereich hat etwa mit der Auslöschung dieser Strukturen zu tun, was wiederum zu steigenden Zahlen nicht nur allein lebender Menschen, sondern auch allein erziehender Eltern führt, mit allen Problemen, die dieser Umstand gerade auch für die Kinder zusätzlich mit sich bringt. Trotzdem ist der »Single« zu einer erstrebenswerten Form der persönlichen Lebensorganisation geworden, bisweilen hört man gar von Frauen, die sich explizit ein Kind wünschen, zur Aufzucht desselben jedoch nach eigener Meinung keinen Vater brauchen.
    Der auch in solchen Extremen zutage tretende Versuch, sich jeglicher Verantwortung für andere Menschen zu entziehen, legt die Erkenntnis nah, dass hier der Schlüssel zu unserer Zukunft liegen könnte. Wir leben in einer weitgehend »Sinn freien« Welt, die uns keine ernstzunehmende Perspektive für unser Leben zu bieten scheint. Ohne eine
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