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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Autoren: Michael Winterhoff
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können und Zuwendung erhalten.
    Eltern wie Erzieher oder Lehrer gehen in solchen Situationen zu oft in Machtkämpfe, die sie von vornherein nicht gewinnen können und in denen sie ständig Gefahr laufen, sich gegenüber dem Kind lächerlich zu machen und damit die Respektlosigkeit des Kindes seiner Umwelt gegenüber zu unterstützen.
    De facto müssen sich Kindergärten und Schule als Institutionen verstehen, die die Aufgabe haben, die Psyche von Kindern zu bilden und langsam reifen zu lassen. Umso wichtiger wird diese Aufgabe, je weniger dies in den Familien geleistet wird. Die zunehmende Brisanz der gegenwärtigen Lage entsteht ja gerade auch dadurch, dass keine öffentliche Institution mehr als Korrektiv für Versäumnisse im familiären Umfeld bereitsteht.
    Es wäre höchst wünschenswert, dass Fachleute in die Lage versetzt würden, entsprechende neurologische und psychiatrische Weiterbildung zu erfahren, um die Arbeit an Kindergärten und Schulen wirkungsvoll zu unterstützen. Es muss folglich auch in der Ausbildung an Fachhochschulen und Universitäten entsprechend gehandelt werden, damit die Ausbildung des Fachpersonals auf die Arbeit mit den psychisch unreifen Kindern vorbereitet und nicht die partnerschaftliche Denkweise unterstützt und weiter ausbaut.

    Machen wir uns noch einmal bewusst, dass die Problematik der drei großen Beziehungsstörungen bei den verschiedenen Kontaktpersonen der Kinder unterschiedlich gelagert ist. Die Symbiose und damit die tendenziell hoffnungsloseste Störung sehe ich derzeit im Grunde ausschließlich bei den Eltern, die meisten Erzieherinnen und Lehrer sind maximal in einem Projektionsverhältnis. Da es sich nicht um ihre eigenen Kinder handelt, fällt es schwerer, diese als Teil ihrer selbst zu empfinden, die Kinder sind »nur« dafür zuständig, dem Pädagogen Liebe und Anerkennung zu schenken.
    Dieser Unterschied bedeutet auch, dass in den Institutionen die Chance auf eine psychische Reifung bzw. Nachreifung der Kinder größer sein kann als in den Familien, in denen das Beziehungschaos bereits weiter fortgeschritten ist. Diese Erkenntnis führt dazu, dass die Forderung nach einem deutlichen Ausbau ganztägiger Versorgungsangebote von staatlicher Seite sinnvoll erscheint. Dass es sich dabei nicht um Aufbewahrungsstätten handeln darf, sollte klar sein: Sinn machen solche Einrichtungen nur dann, wenn hier auf Grund der Erkenntnis der vorliegenden Reifestörungen am Kind gearbeitet wird.
    Für die Arbeit der Lehrer an den Grundschulen gilt entsprechend, dass ihre Funktion als Wissensvermittler nicht mehr den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit darstellen darf, sondern dass sie mit dafür verantwortlich sind, dass bei den Kindern die Grundlagen geschaffen werden, um überhaupt lernen zu können. Das bedeutet, auch hier muss die Psyche der Kinder weiter gebildet werden. Lehrer müssen zunächst Unterrichtssituationen schaffen, in denen Kinder in die Lage versetzt werden, den Stoff ohne Ablenkung und unsinnige emotionale Aufladung der Atmosphäre aufzunehmen. Es wäre sicher keine falsche Debatte, wenn man in diesem Zusammenhang
über die Einführung von ein oder zwei Vorschuljahren nachdächte, also eventuell bereits im fünften Lebensjahr die Schule beginnen ließe. Den vermeintlichen Zeitverlust bei der Aufnahme von Lehrstoff würden die psychisch entsprechend gereiften Kinder anschließend spielend aufholen, so dass sich beim Übergang zu weiterführenden Schulen keinerlei Defizite einstellten.
    Ganz eindeutig festzustellen bleibt in diesem Zusammenhang, dass meine hier geäußerten Anregungen nichts mit der Erstellung neuer pädagogischer Konzepte zu tun haben. Solche Konzepte greifen bei dieser Gruppe Kinder nicht, führen zu keinerlei Veränderung in ihrem problematischen Verhalten und helfen somit letztlich niemandem. Was diese Kinder als letztes brauchen, ist es, Versuchskaninchen immer neuer Pädagogen-Ideen zu sein. Was sie dagegen wirklich brauchen, ist eine neue, eine andere Art von Verständnis, die auf der Anerkennung der Wichtigkeit psychischer Reifeprozesse beruht. Letztlich gilt das übrigens auch für die Verantwortlichen in der Ausbildung. Lehrherren und Ausbilder müssen neben dem fachlichen Know-how zumindest ansatzweise Kenntnis der möglichen Hintergründe des Negativverhaltens von Azubis erlangen. Mancher scheinbar
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