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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Autoren: Michael Winterhoff
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solche Perspektive, so scheint es, brauchen wir uns auch nicht darum zu kümmern, wie wir das Miteinander in der Gesellschaft gut organisieren können, sondern können uns darauf beschränken, das eigene Ego zu befriedigen. Ein klassisches Untergangsszenario also, für das sich historisch einige Parallelen in vergangenen Hochkulturen finden ließen.

    Um die egoistische Lustbefriedigung zu erreichen, missbrauchen wir die Seelen unserer Kinder auf den Stufen der Partnerschaftlichkeit, Projektion und Symbiose. Was wir also brauchen, ist ein Bewusstsein dafür, dass das heute ausschließlich vorherrschende moderne Denken nicht Chance und Vorteil für unsere Kinder ist, sondern eine Gefahr für die Beziehung zu ihnen darstellt.
    Modernes Denken, wie ich es in diesem Zusammenhang verstehe, ist das wesentliche Kennzeichen des partnerschaftlichen Konzeptes, es ist ein Denken in horizontaler Richtung, das darauf beruht, zu verstehen, bevor man handelt. Das mag für die meisten Zusammenhänge im Erwachsenenleben genau richtig und modern im positiven Sinne sein, im Umgang mit Kindern führt es geradeaus in die Falle. Eltern reagieren nicht mehr auf Dinge, die ihr Kind tut, sondern versuchen, zu verstehen, was es tut, und anschließend zu erklären, was es eventuell besser hätte tun können. Die verbesserte Handlungsweise des Kindes soll über die Einsicht und das Verstehen der Erklärung zustande kommen; wohin das führt, sehen wir an all den kleinen Monstern und Tyrannen, die uns heute umgeben.
    Monster und Tyrannen sind diese Kinder jedoch nur im Ergebnis dessen, was die Erwachsenen in ihrem Verhalten falsch machen. Das Versagen liegt eindeutig auf der Ebene von Eltern, Erziehern, Lehrern, Großeltern, Therapeuten, allen also, die Einfluss auf die psychische Entwicklung der Kinder nehmen können. Das Kind ist letztlich Symptomträger der gesellschaftlichen Fehlentwicklung.
    Es ist diese Erkenntnis, die sich auf der Erwachsenenebene durchsetzen muss. Wir müssen uns endlich wieder mit der Sinnfrage auseinandersetzen, nicht vor ihr davonlaufen und Kinder dann als Kompensation für unser Sinn-Defizit wahrnehmen und benutzen. Erst, wenn wir als Erwachsene
in der Lage sind, zu erkennen, dass die kindliche Psyche der Formung durch ein älteres Gegenüber bedarf, versetzen wir uns wieder in die Lage, für eine zukunftsweisende Gesellschaft zu sorgen, in der auch unsere Kinder noch als »zoon politikon« leben und wirken können.
    Dabei ist das ausdrücklich nicht als Absage an die moderne, horizontale Denkweise zu verstehen. Diese ist selbstverständlich eine Errungenschaft der aufgeklärten Gesellschaft, sie muss jedoch wieder als Ziel definiert werden, auf das auch bei der Kindererziehung langsam hingearbeitet werden muss. Kleine Kinder brauchen zunächst einmal ein erwachsenes Gegenüber, das eine traditionelle, vertikale Denkweise beherzigt und sich darüber im Klaren ist, dass bisweilen negativ besetzte Begriffe wie Autorität und Hierarchie genau die Eckpunkte im Verhalten gegenüber Kindern sind, die diesen die notwendige Struktur und Orientierung geben, um sich in der Welt zurechtzufinden.

Kindergarten und Grundschule: Änderungen dringend notwendig
    Es ist dringend zu fordern, dass die heute gängigen Kindergarten- und Grundschulkonzepte grundlegend überprüft werden, inwiefern sie auf Grund eines Denkens entworfen wurden, das auf den beschriebenen Beziehungsstörungen basiert. Die weitaus meisten mir bekannten Kindergärten handeln stringent nach dem Partnerschaftskonzept. Kinder werden mit ihrem kaum fortgeschrittenen Alter zwischen drei und sechs Jahren als eigene Persönlichkeit begriffen und sollen darin gefördert werden. Sollte sich diese moderne, wichtigen neurologischen Erkenntnissen widersprechende Denkweise weiterhin durchsetzen und zur ausschließlichen Grundlage
für die Kindererziehung werden, ist die totale Überforderung unserer Kinder unausweichlich. Diese Kinder müssen zwangsläufig zu Prinzen, Monstern und Tyrannen werden, da niemand sich dafür verantwortlich fühlt, ihnen den Weg zu einem gesellschaftlich integrierten Wesen zu zeigen.
    Es hilft auch nichts, die vermeintlich verzogenen Kinder mit erzieherischen Maßnahmen zu bestrafen und davon irgendeinen Effekt zu erhoffen, da diese Kinder dadurch lediglich die Erfahrung machen, dass sie mit ihrem Verhalten den Erwachsenen steuern
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