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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut
Autoren: Eva Illouz
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einige interessante Vergleichspunkte und alternative Denkweisen darüber, wie das Selbst in den entsprechenden Praktiken ausgestaltet war und wie für es Sorge getragen wurde. Ein häufig anzutreffendes Merkmal der Partnerwerbung im 19.   Jahrhundert bestand darin, daß Männer sich befleißigten, die Frau zu preisen, um die sie warben, während die Reaktion der Frau nicht selten darin bestand, ihren eigenen Wert herabzusetzen.
    Am 9. April 1801 schrieb Frances Sedgwick, nachdem sie einen Heiratsantrag Ebenezer Watsons zunächst abgelehnt, ihre Meinung dann geändert und beschlossen hatte, diesen im Grunde genommen doch für einen passenden Kandidaten zu halten und zu heiraten, an ihren Vater: »Ich wünschte, ich könnte glauben, meine eigenen Verdienste entsprächen nach irgendeinem geeigneten Maß den seinigen.  […] Was mich unbedeutendes Wesen betrifft, so kann ich kaum hoffen, irgendwo für ein kleines Glück zu sorgen, es sei denn durch die unzähligen Male, die ich Sie für all Ihre Güte entlohnen werde.«  [19] Auch gegenüber ihren Verehrern drückten Frauen ihr Minderwertigkeitsgefühl offen aus. Frances Sedgwicks Gefühle sind bei weitem kein Einzelfall, sondern durchziehen das ganze 19. Jahrhundert. So schreibt Ellen Rothman in ihrer Untersuchung des Liebeswerbens 216 jener Zeit: » [A]ls das stärker idealisierte Geschlecht fürchteten Frauen eher, daß ihre Liebhaber sich ein zu erhabenes Bild von ihnen machten. Eine Lehrerin auf Long Island bat ihren Verlobten: ›Obwohl du von mir so viel höher denkst, als ich bin, möchte ich, daß du mich kennenlernst, so wie ich bin; schwach, zerbrechlich, impulsiv & launisch‹.«  [20]
    Nach ihrer Verlobung mit Albert Bledsoe hatte Harriet Coxe ähnliche Gefühle, die sie allerdings eher für sich behielt. In einem »privaten« Brief schrieb sie: »Die Tiefe und Inbrunst seiner Zuneigung zu mir sollte meine Eitelkeit nicht anstacheln, weiß ich doch, daß er mich in jeder Hinsicht völlig überschätzt.« Eine Frau aus New York hoffte, ihr Verehrer werde diesen Fehler nicht begehen, und schrieb ihm: »Betrachten Sie mich nicht, als sei ich ohne Fehler, denn Sie werden zweifellos viele finden. Ich möchte nicht, daß Sie enttäuscht sein werden, weil sie mich für tadellos halten.« Persis Sibley glaubte, es sei ihr nicht gelungen, ihren Verlobten davon zu überzeugen, daß sie »nicht ohne Fehler« war. Sie malte sich die »schwere Prüfung« aus, die ihr bevorstand, wenn sie nach der Hochzeit »die Schuppen von seinen Augen fallen sehen würde, der mich so blind als Inbegriff der Vollkommenheit verehrt hat.  […] Einem jeden ist’s abträglich, überschätzt zu werden.«  [21] Und Mary Pearson »glaubte, sie sei der ihr von Ephraim entgegengebrachten Zuneigung nicht würdig und verdiene sein Lob nicht.  […]  [W]o Ephraim alles sah, ›von dem  [seine] Vorstellung  [ihm] je eingeflüstert hatte, es würde zu einer Frau gehören, die  [ihn] glücklich machen könnte‹, sah sie nur eine gewöhnliche Frau voller Selbstzweifel und Unsicherheit.«  [22] Ein historisch späteres Beispiel bietet Mark Twain, der im Rahmen seiner Brautwerbung um Olivia Langdon schrieb:
    217 Fühle Dich jetzt bitte nicht verletzt, Livy, wenn ich Dich preise, weiß ich doch, daß ich damit nur die Wahrheit sage. Einen Fehler gestehe ich Dir ja schließlich zu – & er besteht in Deiner Selbstunterschätzung.  […] Und doch ist Deine Selbstunterschätzung im Grunde genommen eine Tugend & ein Verdienst, denn sie verdankt sich der Abwesenheit von jeglichem Egoismus, der einer der schwersten Charakterfehler ist.  [23]
    In England mit seinen zahlreichen kulturellen Affinitäten zu den Vereinigten Staaten finden wir ähnliche Selbstdarstellungen zum Beispiel in der Korrespondenz zwischen Elizabeth Barrett und Robert Browning. Dem modernen Betrachter sticht ins Auge, daß ein nicht unerheblicher Teil ihres Briefwechsels Roberts Anpreisungen von Elizabeths Einzigartigkeit und außergewöhnlichem Charakter sowie Elizabeths Zurückweisung dieser Bekundungen gewidmet ist. In einem Brief vom September 1845 schreibt sie: »Daß Du Dir überhaupt etwas aus mir machen solltest, ist von der ersten Stunde an bis heute ein Grund aufrichtiger Verwunderung für mich gewesen – und ich kann nicht gegen den Schmerz an, den ich manchmal empfinde, wenn ich denke, daß es besser für Dich gewesen wäre, wenn Du mich nie kennengelernt hättest.«  [24] Im Februar 1846, als
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