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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut
Autoren: Eva Illouz
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gesellschaftliche Anerkennung dar (einmal abgesehen von Fällen sozialer Abwärtsmobilität, in denen jemand aus einer höheren Klasse jemanden aus einer niedrigeren Klasse heiratete). Die romantische Anerkennung hatte noch nicht jenen ausgeprägt soziologischen Charakter. Meine These im folgenden wird sein, daß es die Struktur der Anerkennung selbst ist, die sich in modernen romantischen Beziehungen gewandelt hat, und daß diese Anerkennung tiefer reicht und weiter geht als je zuvor.
Von der Anerkennung der Klasse zur Anerkennung des Selbst
    1897 erschienen zwei Ratgeber, beide aus der Feder von Mrs. Humphry, zum Thema Liebeswerben: Manners for Men und Manners for Women . Der Rat dieser Bücher bestand in Orientierungshilfe zu den klassen- und geschlechtsspezifischen Kodes des Liebeswerbens in der Mittelklasse: Männer wurden über ihre Haltung und ihr Benehmen ins Bild gesetzt, also darüber, wie man neben einer Frau auf 211 dem Bürgersteig geht, ob man eine Frau vor einem Mann vorstellt, ob man einer unbekannten Dame einen Regenschirm anbieten darf, ob man in der Anwesenheit von Damen vom Rauchen absehen sollte, welche Hand (die rechte oder die linke) man einer Dame reicht, die in eine Kutsche oder einen Eisenbahnwaggon steigt, und wie man sich aus der Situation rettet, in einem Restaurant die Rechnung nicht bezahlen zu können. Frauen wiederum wurden ermahnt, selbstbeherrscht zu bleiben und ihre Konversation mit (freilich nicht zu lautem) Lachen zu durchsetzen, und bekamen erklärt, wie man elegant Fahrrad fährt, welche Speisen und Weine eine Gastgeberin servieren sollte, welche Blumen auf den Tisch gehören und wann man einen Knicks macht und wann nicht.
    Viele, wenn nicht die meisten der Ratgeber jener Zeit befaßten sich damit, Geschlecht und Klasse innerhalb der romantischen Sphäre zu kodifizieren, weil sie in erster Linie auf die erfolgreiche Partnersuche zielten, die im allgemeinen von der Fähigkeit abhing, sich die Kodes des kultivierten Bürgertums anzueignen. Diese Bücher vermittelten Rituale der Anerkennung vornehmlich in Form von Listen verhaltensbezogener Ge- und Verbote, deren Zweck darin bestand, die eigene Klassenzugehörigkeit und Geschlechtsidentität sowie die des Gegenübers zu bestätigen. Das Selbst einer anderen Person zu würdigen hieß, Zeichen zu produzieren, die die eigene Gesellschaftsschicht und Geschlechtsidentität sowie die des anderen anerkannten und bestätigten. Den anderen zu beleidigen bedeutete, zu beleidigen, was der Soziologe Luc Boltanski als seine grandeur bezeichnet, also seine relative Wichtigkeit und seinen Rang auf der sozialen Skala.
    Zeitgenössische Selbsthilferatgeber zur Partnersuche handeln von ganz anderen Dingen. Das erste Kapitel von Dating for Dummies heißt (übersetzt) »Wer bin ich?« und ist in Abschnitte mit Titeln wie »Selbstsicher sein« oder »Was 212 treibt mich eigentlich an?« unterteilt.  [12] Mars sucht Venus, Venus sucht Mars enthält Kapitel zu den Themen »Dynamik des männlichen und weiblichen Verlangens«, »Männer wollen Anerkennung, Frauen Verehrung« und »Ungewißheit«,  [13] während Frosch oder Prinz? solche zu Aspekten wie »Lernen Sie sich selbst kennen« und »Die große Bedeutung emotionaler Gesundheit« bringt.  [14] In diesen zeitgenössischen Ratgebern hat sich der Schwerpunkt des Rats in Sachen Partnersuche verlagert: Er liegt nicht mehr auf dem (bürgerlichen) Anstand und nicht einmal mehr darauf, wie man sich als soziales Geschlechtswesen geben soll, sondern auf dem Selbst, das aus seinem sozialen Stand herausgelöst und über Innerlichkeit und Gefühle definiert ist. Genauer gesagt: Worum es in diesen modernen Erörterungen des Liebeswerbens für Männer und Frauen gleichermaßen geht, ist ein Verständnis des eigenen Werts als eines, der von anderen durch geeignete Rituale der Anerkennung verliehen wird.
    Auf typische Weise lesen wir in Mars sucht Venus, Venus sucht Mars :
     
    Die Selbstsicherheit des Mannes, die ihn das Risiko einer Zurückweisung eingehen läßt, wenn er eine Frau um ihre Nummer bittet, erzeugt in der Frau das beruhigende Gefühl, daß sie begehrenswert ist. Wenn sie auf seine Bitte eingeht und ihm ihre Nummer gibt, wächst sein Selbstvertrauen wiederum. Wie sein aktives Interesse ihr das Gefühl gab, ihm etwas zu bedeuten, ließ ihr passives Interesse sein Selbstbewußtsein wachsen.  [15]
    Hier sind offensichtlich Grenzen zwischen Klassen und Geschlechtern verschwunden. Statt dessen
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