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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut
Autoren: Eva Illouz
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sein Werben um sie schon recht weit fortgeschritten war, schrieb Elizabeth: » [N]ichts hat mich so demütig gemacht wie Deine Liebe.«  [25] Und im März 1846: »… wenn Du nicht damit fortfährst, mich durch Dein starkes Liebesvermögen durchaus vom Boden zu erheben, werde ich die Hoffnungen, die Du in mich gesetzt hast, wohl nicht erfüllen können.«  [26] Jede dieser Behauptungen rief strenge Proteste 218 von Robert und eine Intensivierung seiner Liebeserklärungen und Bindungswünsche hervor. In einem anderen Fall wich Jane Clairmont, die für eine kurze Zeit Lord Byrons Geliebte war, von der passiven Rolle ab, die die ihre hätte sein sollen, respektierte aber die Liebesbriefkonventionen, als sie ihm schrieb: »Ich erwarte nicht, daß Du mich liebst, ich bin Deiner Liebe nicht würdig. Ich spüre, daß Du höher stehst, doch sehr zu meiner Überraschung, mehr noch zu meinem Glück hast Du Leidenschaften bekundet, die ich in Deinem Busen nicht mehr lebendig wähnte.«  [27]
    In diesen Erklärungen inszenieren Frauen ihre Minderwertigkeit, die jedoch keine Minderwertigkeit gegenüber ihren spezifischen Liebhabern ist, sondern eine gegenüber moralischen Charakteridealen. Diese Feststellung wird durch die Beobachtung gestützt, daß auch Männer Selbstzweifel zum Ausdruck bringen, wenn auch nicht so häufig und auf so bezeichnende Weise. Harry Sedgwick, ein Angehöriger der Bostoner Elite, war mit Jane Minot verlobt. Während einer Phase, in der sie für 17 Monate getrennt waren, tauschten sie eine Vielzahl von Briefen aus:
     
    Ein durchgängiges Thema ihres Briefwechsels war Harrys – intellektuelle, seelische und berufliche – (Un-)würdigkeit als Janes Partner.  […] Gegen Ende des Winters machte Harry eine kurze Vertrauenskrise durch: »Ich wünschte, ich könnte einen Blick in die Vorsehung erhaschen«, schrieb er, »nur um eine einzige Sache zu wissen – ob ich Deiner jemals unwürdig werde und Deine Wertschätzung verwirke.«  [28]
    Aus diesen Formen der Selbstherabsetzung lassen sich gewisse Schüsse ziehen: Sie setzen Akteure voraus, die sich auf »objektive« Weise selbst bewerten können. Was hier vorgeführt wird, ist die Fähigkeit, mit den Augen eines anderen von außen auf sich blicken und sich selbst nach objektiven Kriterien der Würde zur Rechenschaft ziehen zu können, 219 nach Kriterien also, die für Männer und Frauen gleichermaßen gelten und von ihnen geteilt werden. Darüber hinaus ist es sehr gut möglich, daß hier gleichzeitig zwei Fähigkeiten in Szene gesetzt werden: die, sich selbst zu kritisieren (und damit seinen Charakter zu demonstrieren), und die, über die Enthüllung der eigenen Makel und Fehler Intimität herzustellen. Indem sie ihr Vermögen beweisen, ein charakterliches Ideal hochzuhalten und ihr eigenes Selbst im Namen dieses Ideals zu kritisieren, führen diese Frauen und Männer ein Selbst vor, das keinerlei »emotionale Unterstützung« oder »Bestätigung« braucht, wie wir das heute nennen würden. Dies ist ein Selbst, das zu einer Selbsteinschätzung ohne fremde Hilfe in der Lage ist und das sein Selbstwertgefühl nicht daraus bezieht, »Bestätigung zu finden«, sondern daraus, daß ihm seine Fähigkeit vor Augen steht, sich an moralischen Standards zu messen und sich verbessern zu lassen, um diesen Standards gerecht zu werden. Zudem setzen solche Rituale der Selbstherabwürdigung rituelle Erwiderungen des Gegenübers voraus und laden zu ihnen ein; sie fungieren nicht als Bitten um »Bestätigung«, sondern als »Tests« der Belastbarkeit und Bindungsfähigkeit des Mannes. Auch hier geht es nicht um das »Selbst« der Frau oder ihr Bedürfnis nach Bestätigung, sondern um die Fähigkeit des Mannes, seine Standfestigkeit an den Tag zu legen und zu beweisen.
    Diese Rituale der Selbstherabsetzung unterscheiden sich gravierend von der Gefahr, in der zeitgenössische romantische Beziehungen schweben, nämlich daß die Beteiligten aus ihnen keine Bestätigung beziehen können. Ich möchte dies anhand einiger Beispiele aus der Populärkultur und meinen Interviews erläutern. So schrieb Susan Shapiro Memoiren über die »fünf Männer, die mir das Herz brachen«. Sie läßt uns ein Gespräch mit ihrem Ehemann Aaron belauschen, in dem sie von Brad spricht, einem ihrer Verflossenen.
     
    220 »Brad schrieb in seiner E-Mail: ›Ich liebe deinen Intellekt noch immer‹. Warum sagst du nie so was zu mir? Das war das erste Kompliment seit Jahren, bei dem ich
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