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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Autoren: Kurt Flasch
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können, von der in diesem Zusammenhang doch nur die Rede ist, weil sie körperunabhängig, also kein Bündel von Eigenschaften oder Taten sei und daher den Tod überstehe. Er müßte im Jenseits Mauern einziehen, die den Himmel von der Hölle trennen, vom Fegefeuer ganz zu schweigen, zumal die Auferstehung des Fleisches nur aufgeschoben, nicht aufgehoben sein soll. Welche Probleme er noch zu lösen hätte, das zeigt die Sorge des Kirchenlehrers Albert von Köln. Er fragte, ob im Innern der Erde, das er sich sehr groß vorstellte, Platz genug sei für die Hölle, da die meisten Menschen böse und dort untergebracht seien. Albert dachte sich komplizierte Systeme von Nebenhöhlen aus, schachtelförmige seitwärtige Ausbuchtungen, um die vielen Sünder dort zur Strafe unterbringen zu können. Seine aristotelische Philosophie der Seele hatte er in diesem Augenblick vergessen. Philosophen wären gut beraten, auf solche Gefälligkeitskonstruktionen verzichten. Statt ihnen dabei zu folgen, sehe ich mir Himmel und Hölle etwas näher an.

    Himmel . In meiner katholischen Kindheit lernten wir den Katechismus. Darin war die erste Frage: Wozu ist der Mensch auf Erden?
    Die Antwort, die wir zu lernen hatten, hieß: Um Gott und den Nächsten zu lieben, um dadurch in den Himmel zu kommen . Was der Himmel war, wußte jedes Kind: Er war das sichtbare Himmelsblau, und darüber wohnte Gott. Jesus war bei seiner Himmelfahrt dorthin zurückgekehrt, und in diese Helligkeit sollten auch wir kommen, wenn es mit uns zu Ende ging. Der Himmel, das war ewiges Leben. Das war Hochzeitsmahl. Daß der Himmel ein riesiger Raum sei, daran hatte ich keine Zweifel, sollte er doch später viele Auferstandene aufnehmen, mit ihren Leibern.
    In der Nazizeit gab es, weil der Religionsunterricht in der Schule entweder oft ausfiel oder von Abschaffung bedroht war, privaten Religionsunterricht auf freiwilliger Basis. Wir waren nur sehr wenige, und der Kaplan Blumöhr sprach über den Himmel. Durch einen Zufall kann ich diese Religionsstunde mit vielleicht zehn Kindern datieren; sie muß vor dem 2. Februar 1941 stattgefunden haben, denn an diesem Tag trat Blumöhr sein Pfarramt in Biblis an. Der Kaplan versuchte, die allzu populären Bilder vom Himmel zu zerstreuen und schwang sich zu der entmythologisierenden Aussage auf, der Himmel sei kein Raum. Das mißfiel mir Zehnjährigem und ich fragte höflich: «Aber Herr Kaplan, Jesus ist doch in den Himmel aufgefahren?» Antwort: «Ja.» Ich weiter: «Aber Maria ist doch auch mit dem Leib in den Himmel aufgenommen worden?» Antwort: «Ja.» Ich weiter: «Aber glauben Sie denn nicht, wo zwei Körper sind, da sei auch ein Raum?»
    Der Kaplan blickte mich wohlwollend an und gab eine nichtssagende Antwort. Das gab es also auch: Einen Religionsunterricht, in dem man für solche Fragen eher belohnt als bestraft wurde.
    Daß ich den Himmel als Raum haben wollte, war gut begründet. Gott hatte Himmel und Erde erschaffen. Der Himmel war so real wie sein Gegenstück, die Erde. Das Alte Testament beschrieb das feste Gewölbe, das die Wasser unter und über dem Himmel trennte, Genesis Text B. Dort war der Wohnsitz Gottes. Dort stand sein Thron, wo zu seiner Rechten Jesus sitzen durfte; sein Thronsaal hallte wider von den ewigen Lobgesängen der Engel. Von dort kamen Gott und seine Boten herab; dort hinauf war Jesus nach seiner Auferstehung aufgefahren. Dieses Bild des Himmels als Raum, wie es Altes und Neues Testament ziemlich übereinstimmend geben, gefiel mir als Zehnjährigem. Hatte der Auferstandene nicht die ‹Tore des Himmels› geöffnet, die so lange verschlossen waren? War er nicht zu diesem Zweck Mensch geworden? Ich dachte konservativ und wünschte: Das Wort der Bibel sollen sie stehen lassen.
    Aber dafür standen die Chancen schlecht. Schon in der Antike hatten philosophisch Gebildete das Gewitter der Abstraktion über diese schönen Bilder niedergehen lassen. Wenn sie lasen, Christus sitze zur Rechten Gottes des Vaters, wandten sie ein, ‹Links› und ‹Rechts› gebe es nur bei körperlich vom Raum umgrenzten Wesen, Gott sei aber nicht körperlich umgrenzt. Wiederum ‹vergeistigte› eine philosophische Intervention den ‹Himmel›, so daß es in ihm kein Links und kein Rechts mehr gab.
    Die intellektuelle Korrektur der biblischen Himmelsbilder setzte den Himmel nicht sofort zur Metapher herab. Die griechisch-arabische Kosmologie gab ihm neue Substanz. Über ihren acht oder neun Himmelsschalen wölbte
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