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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Autoren: Kurt Flasch
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sich harmonisch der theologische Himmelsraum, Empyreum genannt. Dantes Paradiso faßte beides, philosophische Sphärentheorie und Seeelenheimat, zusammen; Maler in Mittelalter und Renaissance brauchten den Himmel als Raum, auch um die Himmelfahrt Christi und der Maria darzustellen. Aber die neuzeitliche Kosmologie entzauberte den Sternenhimmel; die Himmelstheologie der Reformatoren war streng und bildarm. Im ernüchterten 20. Jahrhundert gelang es Predigern und Religionslehrern immer weniger, Glanz und Trost des Himmels in bedrückte Seelen zu zaubern. Die Verheißung ‹Ewiger Ruhe›, die aus der Zeit stammte, als die Seelen Verstorbener die Zeit bis dem Jüngsten Gericht noch in geheimen Warteräumen zubrachten, machte ihn nicht attraktiv. Die Erwartung ‹ewiger Ruhe› hatte schon Papst Gregor gestört, als er forderte, Himmelsfreuden und Höllenqualen sollten sofort mit dem Tod eintreten.
    Die Metapher ‹Himmel› hat inzwischen die biblische Herkunft abgestreift und wird von der Sprache der Werbung vermarktet. Heute ist die Vorstellung ‹Himmel› derart ausgedünnt, daß Prediger darüber lieber schweigen. Manche Theologen glauben nicht mehr an ein Leben nach dem Tod und an das Glück im Jenseits; andere gestehen, nicht zu wissen, warum die Beseligten im Himmel noch auf die Auferstehung der Toten warten sollen. Zu deutlich überlagern sich in der unabgeschwächten christlichen Eschatologie zwei inkompatible Aussagen: Erst gibt es eine persönliche Gerichtsszene und dann noch einmal die allgemeine; zuerst findet die abgetrennte Seele ihr volles Genügen, und dann soll sie erst wieder vollendet werden, wenn sie ihren Leib zurückbekommt, den die Allmacht aus der Grube zaubert. Neuere Theologen wie Rudolf Bultmann und Dorothee Sölle verzichten lieber ganz auf den Himmel. Zuerst haben sie meinen Kinderhimmel ent-kosmologisiert und entsinnlicht, zuletzt schaffen sie ihn ab. Ein Theologe strenger Denkart schritt noch tapferer zur Entmythologisierung; ihm war der alte Himmel zu heiter. Er fand, er müsse die vergnügliche Seite des Himmelslebens konterkarieren und warb für sein düsteres, entrümpeltes Jenseits damit, daß Jesus dort seine Wundmale zeige. Muß das sein? Nein, dann doch lieber Lichteffekte und Musik, Tanz und Hochzeitsmahl – wie sie der Zehnjährige erträumte.

    Hölle . Die Hölle hat eine gut dokumentierte Vorgeschichte im Zweistromland und in Ägypten. Die katholische Totenliturgie bewahrte im Offertorium der Totenmesse die düstere Pracht des alten Tartarus. Sie betete zu Gott für die abgetrennten Seelen mit den Worten: Rette sie vor dem Maul des Löwen, daß sie nicht hinabstürzen ins Dunkle, libera eas de ore leonis, ne absorbeat eas tartarus, ne cadant in obscurum . Das war noch die alte, die richtige Hölle, ein verschlingender Löwe, ein abgründig-dunkler See. Jesus drohte mit der ‹Hölle›; er nannte sie das ewige Feuer, das die Sünder quält, ohne sie gänzlich zu verbrennen.    [67]   Doch um in die Hölle kommen zu können, mußte die Seele individuell den Tod überstehen. Diese Vorstellung fehlte der Hebräischen Bibel; daher entfaltet sie das Höllenthema kaum. Die ‹Hölle›, gehenna , war ein Tal südlich von Jerusalem, das Tal des Hinnom, in dem Reste von Opfertieren verbrannt wurden, in dem also Feuer brannte. Das Wort löste sich vom geographischen Bezug und wurde zur Feuerhölle. Jesus, den sich heutige Christen zu lieb vorstellen, drohte ernst mit der gehenna ; er verstärkte seine Aufrufe mit der Warnung vor dem ‹ewigen Feuer›, wo der ‹Wurm nie stirbt›, wo ‹Heulen und Zähneknirschen› herrscht.
    Für die Christen der ersten drei Jahrhunderte stand das ewige Höllenfeuer eher im Hintergrund; es erwartete die Nicht-Gläubigen, aber allen Getauften war eine Aufnahme in den Himmel noch gewiß; erst die Theologen des 4. und 5. Jahrhunderts bliesen es so recht an. Es entstand der rhetorische Infernalismus, der manche christliche Kultur charakterisiert hat.
    Er ergab sich aus folgenden Faktoren:
    Erstens: Origenes wollte die Höllenstrafen zeitlich begrenzen. Das ewige Feuer sollte erlöschen, wenn der göttliche Erziehungszweck erreicht sei. Dagegen setzte eine Reaktion ein, die zur mehrfachen Verurteilung des Origenes führte, vor allem durch die Synode von Konstantinopel 543. Damit war die Ewigkeit der Höllenstrafen etabliert.
    Zweitens: Gegen Origenes interpretierten Augustin und Gregor der Große das Höllenfeuer als körperliches Feuer;
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