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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Autoren: Pamela Druckerman
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Großeltern. Ich beschließe, Bean nach Miami zu meiner Mutter zu schicken. Meine Mutter wird uns sowieso bald in Paris besuchen, sodass beide gemeinsam zurückfliegen können.
    Simon ist dagegen. Was, wenn Bean schlimmes Heimweh bekommt und wir durch einen ganzen Ozean voneinander getrennt sind? Ich habe drüben ein Tagescamp mit Schwimmunterricht gefunden. Aber aus zeitlichen Gründen muss Bean mittendrin einsteigen. Wird es ihr dann nicht schwerfallen, Freunde zu finden? Simon schlägt vor, lieber noch ein Jahr zu warten.
    Aber Bean hält die Reise für eine großartige Idee. Sie sagt, sie werde sich bei der Oma pudelwohl fühlen, und freut sich schon auf das Camp. Simon gibt schließlich nach, vielleicht in dem Glauben, dass er während Beans Abwesenheit mehr Zeit im Café verbringen kann. Ich fliege dann nach Miami und hole Bean zurück nach Hause.
    Ich gebe meiner Mutter nur wenige Anweisungen: kein Schweinefleisch, viel Sunblocker. Bean und ich verbringen eine Woche damit, den Inhalt ihres Handgepäcks auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. Als ich ihr verspreche, täglich anzurufen, werden wir melancholisch.
    Und ich halte mein Versprechen. Aber als Bean in Miami ist, geht sie dort so in ihren Abenteuern auf, dass sie höchstens ein, zwei Minuten am Telefon bleibt. Ich kann mich nur auf die Berichte meiner Mutter und ihrer Freundinnen verlassen. Eine von ihnen schreibt mir in einer E-Mail: »Sie hat heute Abend mit uns Sushi gegessen, uns ein bisschen Französisch beigebracht und uns wichtige Neuigkeiten über ihre Schulfreunde erzählt. Dann ist sie mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen.«
    Schon nach wenigen Tagen klingt Beans Englisch fast richtig amerikanisch. Trotzdem nutzt sie ihren Expat-Status sträflich aus. Meine Mutter erzählt, dass sie im Auto eine ihrer Sprachkassetten gehört hat, woraufhin Bean verkündet habe: »Der Mann kann kein Französisch«.
    Bean versucht herauszufinden, was während ihrer Abwesenheit in Paris passiert. »Ist Daddy fett? Ist Mommy alt?«, fragt sie nach einer Woche. Laut meiner Mutter erzählt Bean allen ungefragt, wann ich nach Miami komme, wie lange ich bleiben werde und wo wir anschließend hinfahren. Wie Françoise Dolto vorausgesagt hat, braucht sie sowohl Unabhängigkeit als auch einen festen Bezugsrahmen.
    Als ich Freunden von Beans Reise erzähle, sind ihre Meinungen entsprechend ihrer Nationalität geteilt. Die Nordamerikaner finden Bean »tapfer« und fragen, wie sie mit der Trennung zurechtkommt. Keiner von ihnen schickt Kinder ihres Alters zehn Tage lang zu den Großeltern, erst recht nicht über den großen Teich. Aber meine französischen Freunde gehen davon aus, dass ein bisschen Abstand allen Beteiligten guttut. Sie sind fest davon überzeugt, dass Bean auch alleine Spaß haben kann und ich die wohlverdiente Auszeit genieße.
    Während die Kinder immer unabhängiger werden, verstehen Simon und ich uns wieder besser. Er ist immer noch reizbar, und ich bin immer noch gereizt. Aber er hat beschlossen, dass es auch okay ist, manchmal gute Laune zu haben. Und er gibt zu, dass er meine Gesellschaft genießt. Hin und wieder lacht er sogar über meine Witze. Seltsamerweise scheint er aber vor allem Beans Humor urkomisch zu finden.
    »Als du geboren wurdest, dachte ich, du wärst ein Esel«, neckt er sie eines Morgens.
    »Na, und als du geboren wurdest, dachte ich, du wärst caca «, erwidert sie. Simon muss dermaßen darüber lachen, dass ihm fast die Tränen kommen. Anscheinend habe ich nie seinen Fäkalhumor getroffen.
    Ich habe zwar nicht damit begonnen, Toilettenwitze zu reißen, bin aber andere Kompromisse eingegangen. Ich kontrolliere Simon weniger, nicht einmal, wenn ich morgens ins Wohnzimmer komme und sehe, dass er den Kindern ungeschüttelten Orangensaft serviert. Ich habe gelernt, dass er sich, genau wie sie, mehr Unabhängigkeit wünscht. Wenn das bedeutet, dass ich ein Glas Saft mit dem ganzen Fruchtfleisch bekomme – von mir aus! Ich frage ihn auch nicht mehr, woran er denkt. Ich habe gelernt, dass es einer Ehe guttut, Geheimnisse voreinander zu haben, und weiß es zu schätzen.
    Im letzten Sommer sind wir wieder an den Ort an der Küste gefahren, wo mir zum ersten Mal die französischen Kinder, die so fröhlich und ordentlich im Restaurant gegessen haben, aufgefallen sind. Diesmal haben wir nicht nur ein Kind, sondern gleich drei dabei. Statt zu versuchen, im Hotel klarzukommen, sind wir diesmal so schlau, ein Ferienhaus mit Küche zu
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