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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles
Autoren: Reinhard Brandt
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erwartet und die Vielfalt der Jahreszeiten am Ende auf eine einzige reduziert. Jetzt aber gilt: Wer vom Sommer spricht, stellt ihn unausgesprochen in die Konstellation der europäischen vier und nur vier Jahreszeiten. Der Heilige Geist – ihn gibt es nur in der Konstellation mit Vater und Sohn und dem Vierten, der heiligen Kirche. Choleriker – ihn gibt es nur in der Konstellation der Temperamente mit drei anderen: Nur im Verbund mit dem Melancholiker, Sanguiniker und Phlegmatiker gibt es ihn. Es ist signifikant für die historische Entwicklung, daß das konstellative Denken einem nur seriellen weichen kann und dann die Frage: »Und nicht« nur zu beantworten ist mit dem Hinweis auf »Alles andere«. Die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde sind einem seriellen System von Elementen gewichen, das durch empirische Entdeckungen erweitert werden kann. Das ältere Denken in Konstellationenwollte Sicherheiten vor aller Erfahrung und für alle Erfahrung stiften. Die konstellative Ordnung gibt es jedoch auch heute noch; so sind die gegenwärtigen Demokratien gewaltenteilig organisiert, meist so, daß es außer den drei staatlichen Gewalten der Legislative, Exekutive und Judikative eine unabhängige öffentliche Meinung geben soll, die Vierte Gewalt. Es ist eine fast ideale Konstellation, in der die vier Gewalten unabhängig von einander sind und doch eine ausgewogene Einheit bilden. Die meist nicht gesehene Implikation ist die Bildung der Bürger, die die Adressaten der Medien sind und, informiert und hellwach, die Vertreter in das Parlament wählen. Wir sind Bürger nur in dieser Ordnung und regredieren zu Untertanen, wenn sich die Manipulationstendenz der Exekutive durchsetzt und die Republik der Diktatur weicht. Ein Weg dahin ist die Gleichschaltung der Medien und die Schaffung eines Propagandaministeriums (Hitler, Stalin). In der ursprünglichen Konstellation stellt sich die Vierte Gewalt den drei Staatsgewalten entgegen und beobachtet argwöhnisch die unvermeidliche Korruption und Bornierung der Mächtigen, im Zustand nationaler Verwahrlosung paktiert sie mit dem Profit und wird dessen Abbild, im Trend der Weltgeschichte dreht sie die despotische Einverleibung der Vierten Gewalt in die Exekutive einfach um: Die Medien setzen sich an die Spitze und befinden darüber, wem sie die Regierung anvertrauen sollten, und auch, wer ins Parlament und Richteramt kommt und wann das alles vielleicht zu ändern ist. Der Held der Szene ist nicht Joseph Goebbels, sondern sein globales Gegenbild Rupert Murdoch.
    Das pädagogische Plädoyer: Die kulturellen Formationen sind abzutasten auf die Präsenz konstellativen Denkens, nicht nur in der Literatur und Philosophie, sondern auch in den bildenden Künsten – man macht überraschende Entdeckungen, wie Figuren und Bauteile konstellativ aufeinander bezogen sind.
Auseinandersetzung
    Diesen Begriff scheint es nur im Deutschen zu geben; er kennzeichnet vorzüglich, was in jeder Bildung von Menschen frei zu setzen ist: Man setzt sich mit-einander aus-einander. Der Hundezüchter, Dressurreiter und Dompteur kennt bei der Erziehung der Tiere diese Komponente nicht, weil die domestizierten Tiere keine Gegenstimme haben, sie meldet sich jedoch schon bei Kleinkindern und muß in die kultivierte Auseinandersetzung eingebunden werden, teils his master’s voice , teils in resistenter Eigenheit. Hier wie auch sonst in der Bildung gibt es keine Berechnung und genaue Verwaltung, sondern ein Gefühl und geschultes Urteil.
    Zur Zeit Friedrichs des Großen (König 1740–1786) wurden in Berlin Platonische Dialoge übersetzt, nicht aus Liebe zur Ideenlehre, sondern aus der Sorge um die Bildungsanstalten, die unter den Monologen und Vor-Lesungen der Lehrer und Professoren vor sich hinsiechten. Die lebendigen Dialoge Platons sollten als Vorbild dienen, um den zeitgemäßen kritischen Geist in die Hörsäle und die neu zu gründenden Institute zu tragen. Die Frage- und Antwortform der mittelalterlichen Lehranstalten war zu gesonderten Ritualen bei akademischen Prüfungen geronnen, aus den Vermittlungen der Inhalte war aller eigener Geist gewichen und hatte der bloßen Anhäufung von Gedächtnisleistungen Platz gemacht.
Bilder und Begriffe
    Â»Das war der beste Vortrag! So lebhaft, alles mit Power-Point!« Die Didaktik ist versessen auf Bilder, und wer beim Auswahlgespräch die meisten und
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