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Warum aendert sich alles

Titel: Warum aendert sich alles
Autoren: Reinhard Brandt
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übrigens schon durch das leicht dechiffrierbare Protokoll. Wie ist es möglich, daß Joachim Fest einem hochkarätigen Verbrecher in der zentralen Frage seines Mitwissens Glauben schenkt? Natürlich mußte Fest in einer verborgenen Falte seiner Seele wissen, daß Speer ihn hinters Licht führte; aber wir können heute seinen Behauptungen trauen, er habe Speer nie nachweisen können, von der Judenvernichtung gewußt zu haben. Im Zweifel für den Angeklagten. Aber Fest fand in den Dokumenten, daß der ihm gegenübersitzende elegante Speer, gut aussehend wie er selbst, inzwischen reicher Villenbesitzer wie er selbst, eine skrupellose Canaille war – warum zog er nicht den Schluß jedes unbeteiligten Menschen, daß Speer natürlich Kenntnis hatte von der Judenvernichtung, aber mit allen Mitteln versuchen mußte, sein Wissen zu verbergen? Weiß der Bauer, der das Vieh an das Tor des Schlachthofes treibt, nicht, was mit ihm geschieht? Wie konnte der hellwache Speer ihm gegenüber vorgeben, genau in diesem Punkt 1942 alle natürliche Neugier, alles Wissenwollen unterbunden zu haben? Was machte Fest zu einem Beteiligten der Verdeckung, zu einem Bürger, der am Nichtwissen Speers selbst interessiert war und deswegen in alter Kumpanei der offensichtlichen Lüge glaubte, statt sie mit einem Federstrich zu demaskieren?
    Aber die weitere Frage ist: Wann läßt die Gesellschaft ein Mitglied erbarmungslos fallen? »Jerusalem ist hier nicht erwünscht«, damit fegten deutsche Bürger jüdische Familien vom Ferienstrand. Speer kannte genau den Abgrund, in den man ihn stoßen würde. Wenn sein Komplizentum bei der Judenvernichtung bekannt würde – dann müßte man den eleganten reichen Mitbürger von sich stoßen. Joachim Fest wollte es nicht wissen.
Mein Freund
    Hanns Martin Schleyer (1915–1977) »war ein deutscher Manager und Wirtschaftsfunktionär. Durch seine nationalsozialistische Vergangenheit und seine Rolle als Arbeitgeberpräsident war er in besonderem Maße der Kritik durch die deutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre ausgesetzt.« Man lese die Biographie des Mannes und die gut dokumentierte Übererfüllung aller nationalsozialistischen Normen. Bekennender SS-Mann ab 1933 ohne Widerruf; Schleyer betrieb in Prag die Arisierung der böhmischen Industrie, rücksichtslos, überkonsequent. Er wurde 1977 von hirnverbrannten Linken ermordet. Diese Tat und die Erinnerung an sie im Jahre 2007 führt die deutschen Politiker, die Schleyer einmal aus der Ferne sehen durften, zur kuriosen Ergebenheit: »Mein Freund Hanns Martin Schleyer.«
Pol Pot; Alice
    Pol Pot: »Was nicht falsch sein kann, das kann auch nicht wahr sein!«
    Philosoph: »Stimmt das?«
    Pol Pot: »Stimmt das? Welch unverschämte Frage! Notwendig stimmt das! So off with it! Kopf ab!
    Â 
    Alice: »Nein! Der Kopf bleibt! Es ist wahr und falsch, man muß nur richtig unterscheiden. Es ist wahr in formaler Hinsicht, denn jedes Urteil ist unabhängig von seinem Inhalt wahr oder falsch. Es ist falsch in inhaltlicher Hinsicht, denn die genannte Regel über das Wahr- oder Falschsein kann nicht selber falsch sein.« Danksagung fast aller Abgeordneten an Alice.
A und B
    Â»A sei die notwendige und hinreichende Bedingung von B; ist dann auch B die notwendige und hinreichende Bedingung von A?« Bewege dich bei dieser Frage nicht sofort in die falsche Richtung, wie gute Freunde es taten, denke nach, ein oder zwei Reisestationen, und gib dann keine abwegige Antwort.
Zwei Punkte
    Zwischen zwei Punkten gibt es nur eine gerade Linie. Und wo sind die Punkte? Im Raum, wo sonst. Aber dann ist alles verloren, denn alles, was im Raum ist, läßt sich ins Unendliche teilen, und daraus folgt: Zwischen zwei Punkten gibt es unendlich viele gerade Linien. Die Raumpunkte haben ein Oben und Unten und Vorne und Hinten, kein gutes Omen für etwas, das als Punkt unteilbar sein sollte und bei Licht besehen eine Kugel ist.
Kunst-Liebe
    Homer, der größte Dichter und Rhapsode aller Zeiten, trug Verse seiner Ilias und Odyssee als Wandersänger in Kleinasien vor. Bei einer gutbesuchten Darbietung gab es plötzlich ein Glockenzeichen, das die Teilnehmer zu einem Fischessen rief, von dem man Homer nichts gesagt hatte. Ein einziger Hörer blieb auf seinem Platz; der Sänger setzte ihm zuliebe seinen epischen Gesang fort, und als er endete, lobte er
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