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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere
Autoren: James Jr. Tiptree
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Erzählungen, die in den wenigen Jahren seit seinem Debüt ständig kraftvoller und tiefgründiger geworden sind.
    »Mein Ziel ist vor allem, nicht zu langweilen«, hat er einmal gesagt. »Ich durchforsche meine Sachen mit Radaraugen nach dem ersten Absacken, dem Signal aufkommender Langeweile. Wenn sich Geschwätz einschleicht, Überladung, bedeutungslose Füllsel, Falsches. Und keine Wiederholungen, wenn ich bitten darf… Heiliger Sebastian, was hat man mich in meinem Leben gelangweilt… Das will ich niemandem antun, wenn ich es irgendwie vermeiden kann.«
    Tiptrees Geschichten langweilen nicht. Sie sind straff, muskulös, beweglich, weithin von Dialog getragen, den Fetzen gerafftester Exposition unterbrechen. Obwohl keine eigentliche stilistische Beeinflussung zu erkennen ist, meine ich, daß seine Arbeit der von Hemingway analog ist, insofern Hemingway, zumindest an der Oberfläche, einfach, direkt und knapp war. Er war außerdem ein außergewöhnlicher technischer Neuerer, der der modernen Kurzgeschichte einen völlig neuen Charakter gab; diesen Aspekt seiner Kunst hat Hemingway aber vor dem Blick des eiligen Lesers wohlverborgen. Hemingway war als Schriftsteller tiefer und listiger, als er sich gab; so auch Tiptree, der hinter fetziger Kunstlosigkeit ein erstaunliches Geschick für Szenengestaltung und Irreführung des Lesers verbirgt: immer wieder findet sich der in unerwartete Abgründe der Erfahrung gestürzt. Und bei beiden eben auch diese unübersehbare Maskulinität – die ständige Beschäftigung mit Fragen des Muts, mit absoluten Werten, mit den Geheimnissen und Leidenschaften von Leben und Tod, wie sie sich in extremen physischen Prüfungen offenbaren, in Schmerz, Leid und Verlust. Hemingway hat in seinen späteren Jahren seinem Ansehen als Schriftsteller durch Eskapaden, die ihn töricht und absurd erscheinen ließen, sehr geschadet; diesen Fehler hat Tiptree nicht gemacht.
    Dies ist erst Tiptrees zweites Buch. Das erste ›Ten Thousand Light Years from Home‹, erschien 1973, eine Sammlung von fünfzehn Geschichten, die zwischen 1968 und 1972 in Magazinen erschienen waren (in deutscher Sprache als ›10000 Lichtjahre von Zuhaus‹, 1975, HEYNE-BUCH Nr. 3462, und ›Beam uns nach Haus‹, 1976, HEYNE-BUCH Nr. 3514). Sie enthält den Großteil von Tiptrees früheren Geschichten, obwohl rätselhafterweise mehrere wichtige Erzählungen des Jahres 1969 in keinen der beiden bisherigen Bände aufgenommen wurden – etwa der Kurzroman ›Your Haploid Heart‹, wohl der auffälligste jener mysteriösen Ausschlüsse. Die erste Anthologie zeigt, weil sie die Arbeit von fünf Jahren umspannt, Tiptrees Entwicklung von geschickter Handhabung konventionellen SF-Materials zu der dunkleren, machtvolleren Kunst, zu der er später fand: Geschichten wie ›And I Awoke and Found Me Here on the Cold Hills Side‹ (1971) (deutsch: ›Und ich erwachte und fand mich hier am kalten Berghang‹), ›The Man Who Walked Home‹ (1972) (deutsch: ›Der Mann, der sich auf den Heimweg machte‹) und die bestürzende, alptraumhafte ›Painwise‹ (1972) (deutsch: ›Schmerzerfahren‹) geben Zeugnis von diesem neueren, tieferen Tiptree. Die vorliegende Sammlung bietet einen ähnlichen Querschnitt durch Tiptrees Arbeit; sie enthält nicht nur seine jüngsten Kurzgeschichten, sondern auch etliche aus den ersten Jahren seiner Laufbahn – ›Doktor Ains letzter Flug‹ (1969), ›Fehler‹ (1968), ›Ein Kommen, ein Gehen‹ (1970), und zwei oder drei andere. Das sind alles respektable kleine Geschichten, die geschrieben zu haben für niemanden eine Schande wäre; aber sie erscheinen hier hauptsächlich, um die Entwicklung des Schriftstellers zu beleuchten. Das Herz dieses Buches ist die Gruppe von Geschichten aus den Jahren 1972 und 1973. Wie zum Beispiel ›Die unscheinbaren Frauen‹ (1973), für mich ein Meisterstück der Kunst der Kurzgeschichte: von einfacher Struktur, aber intensiv und farbig in den Einzelheiten und von überwältigender psychologischer Einsicht. Die thematische Lösung ist ein uraltes SF-Klischee – Frauen der Erde werden von Außerirdischen entführt – das aber durch das erschütternde Bild gleichmütiger, duldender Frauen, die in aller Ruhe eine Fremdherrschaft gegen eine andere, unbekannte, die vielleicht erträglicher ist, austauschen, erlöst und völlig verwandelt wird. Es ist dies eine zutiefst feministische Geschichte, in ganz und gar maskuliner Weise erzählt, und sie verdient die gründliche
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