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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere
Autoren: James Jr. Tiptree
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Erde, und dann: NIEMANDEM ETWAS VERRATEN.
    Diese Passage ist ein Schlüssel zur Erzählmethode Tiptrees in fast all seinen Geschichten. Er liebt es, ein Gefühl der Verwirrung und Entfremdung zu schaffen, das sich allmählich, aber nie vollständig auflöst, während die Geschichte ihrem Höhepunkt zueilt. Vielleicht deshalb handeln so viele seiner Erzählungen von fremden Lebewesen, Wesen, deren Motive und Zwecke für uns unergründlich sind. Die geist-losen Ungeheuer aus ›Am letzten Nachmittag‹, die schweigenden Besucher aus ›Die unscheinbaren Frauen‹, die abscheulichen grauen Klumpen aus ›Paradiesmilch‹, die Trieb-getriebenen Wesen aus ›Liebe ist der Plan, der Plan ist Tod‹, sogar der sympathische, wehmütige Fremdling aus ›All die schönen Ja’s‹
    – sie alle spiegeln ein Grundgefühl Tiptrees, in dem das Universum als fremder, seltsamer, unbegreiflicher Ort erscheint, der unserer tapferen, verzweifelten Suche nach Antworten nur gelegentlich Erfolg vergönnt. Tiptree hat sich dafür entschieden – vielleicht aus schlauem Gespür für Public Relations, vielleicht aufgrund einer einsiedlerischen Komponente seiner Natur – seine eigene Persona in Geheimnis zu hüllen. Die Science Fiction ist ein Feld, in dem die Schreibenden ganz natürlich zueinander hindrängen, in dem es durchaus nicht ungewöhnlich ist, daß die engsten Freunde eines Schriftstellers fast alle Science-Fiction-Kollegen sind; dennoch kenne ich niemanden innerhalb der SF-Bruderschaft, der Tiptree je begegnet wäre, niemanden, der eine Ahnung hätte, wie er aussieht oder womit er seinen Lebensunterhalt verdient. In dem Maße, wie sein Ansehen als Schriftsteller wuchs – und es wuchs gewaltig in den Jahren 1970, 1971 und 1972, in denen seine Arbeiten immer perfekter wurden –, wuchs auch die Neugier, den Mann hinter den Geschichten kennenzulernen; besonders, nachdem einmal klar war, daß er in diesem berüchtigtermaßen geselligen literarischen Universum durchaus soviel Privatesse sich zu bewahren gedachte wie nur irgend möglich. Er schreibt Briefe, ja, umfängliche und schwungvolle Briefe, aber die Absenderadresse ist eine Postfachnummer in Virginia. Er führt keine Telefongespräche mit Herausgebern, Agenten oder anderen Schriftstellern. Falls er zu Science-Fiction-Kongressen geht, tut er das inkognito.
    Gereizt von Tiptrees hartnäckiger Insistenz auf persönlicher Verborgenheit, haben sich SF-Freunde in den wildesten Spekulationen über ihn ergangen. Sein wirklicher Name sei, so wird oft gesagt, nicht Tiptree, obwohl niemand weiß, wie er lauten könnte. (Daß ›Tiptree‹ ein Pseudonym sei, ist plausibel genug, aber ich will es nicht hoffen. Ich mag den Namen und sähe es gerne, wenn er per Geburtsrecht dem Mann gehörte, der ihn unter diese Geschichten setzt.) Auch wurde gemutmaßt, Tiptree sei eine Frau. Diese Theorie finde ich absurd; denn Tiptrees Geschichten haben für mich etwas unverkennbar Maskulines. Ich glaube nicht, daß Jane Austens Romane von einem Mann hätten geschrieben werden können, oder Ernest Hemingways Stories von einer Frau; und im selben Sinne glaube ich, daß der Autor der James-Tiptree-Geschichten ein Mann ist.
    Da Tiptree nur wenige Meilen vom Pentagon entfernt lebt, oder wenigstens seine Postanschrift zu dieser Gegend gehört, und da er in seinen Briefen oft erwähnt, daß er gerade zu einer Reise in irgendeinen fernen Teil des Planeten aufbreche, hält sich das Gerücht, er sei im ›wirklichen‹ Leben ein Regierungsbeamter, der es mit Arbeit hoher Geheimhaltungsstufe zu tun habe. Seine offensichtlich intime Bekanntschaft mit der Welt der Flughäfen und Bürokraten, wie sie sich zum Beispiel in ›Die unscheinbaren Frauen‹ ausdrückt, scheint diese Theorie zu untermauern; wie seine ebenso gründliche Kenntnis der Welt der Jäger und Fischer, in derselben Geschichte, sein männliches Geschlecht zu beweisen scheint. Tiptrees Eingeständnis an einen seiner Herausgeber, er habe den größten Teil des Zweiten Weltkriegs in einem Kellerraum des Pentagon verbracht, hat diesen Mythos genährt; und über seine Zugehörigkeit zur Regierungsbürokratie schien es keinen Zweifel mehr geben zu können, als er mir vor ein paar Jahren schrieb, er sei ›ein Midwesterner, der sich in verschiedenen Dschungeln der Erde herumgeschlagen habe, als er jung gewesen sei, und, in älteren Jahren, in schlimmeren Dschungeln mit Schreibtischen drin‹. Neuerdings jedoch hat Tiptree versucht, einigen dieser Gerüchte
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