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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies
Autoren: Isaac Marion
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Manchmal frage ich mich, ob er eine Lebensphilosophie hat. Vielleicht sogar eine Weltanschauung. Ich würde mich gerne mit ihm hinsetzen und in seinem Hirn stochern, bloß ein winziges Stück von seinem Stirnlappen kosten, um auf den Geschmack seiner Gedanken zu kommen. Aber er ist ein zu harter Brocken, um sich eine Blöße zu geben.
    »Stadt«, sage ich und lege eine Hand auf meinen Bauch. »Fressen.«
    Die Mädchen, mit denen er sich unterhält, werfen mir einen Blick zu und schlurfen davon. Mir ist aufgefallen, dass ich manche Leute nervös mache.
    »Gerade … gefressen«, sagt M und schaut mich ein bisschen finster an. »Zwei Tage her.«
    Ich halte mir wieder den Bauch. »Fühl leer. Fühl … tot.«
    Er nickt. »Hoch…zeit.«
    Ich starre ihn an, schüttele den Kopf und presse die Hand gegen den Bauch. »Muss. Hol … die anderen.«
    Er seufzt und setzt sich in Bewegung. Als er an mir vorbeigeht, verpasst er mir einen heftigen Stoß, ich weiß nicht, ob es Absicht war. Aber er ist ja ein Zombie.
    Er treibt ein paar andere auf, die ein Verlangen spüren, und wir bilden eine kleine Truppe. Sehr klein. Gefährlich klein. Aber das ist mir egal. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals so hungrig gewesen zu sein.
    Wir brechen auf in Richtung Stadt. Wir nehmen die Autobahn. Wie alles andere nehmen auch die Straßen die Gestalt der Natur an. Wir wandern auf leeren Fahrbahnen und durch mit Efeu bewachsene Unterführungen. Was mir von diesen Straßen noch in Erinnerung ist, steht in krassem Gegensatz zu dieser Friedfertigkeit. Die Luft ist still und süß, ich atme tief.
    Wir dringen weiter in die Stadt vor als sonst. Außer Staub und Rost rieche ich nichts. Lebende ohne Versteck werden seltener, und wer ein Versteck hat, wagt sich seltener heraus. Ich nehme an, dass die Sportstadien, in denen sie sich verschanzt haben, sich mehr und mehr selbst versorgen. Unter dem Glasdach über der Ersatzbank stelle ich mir Gemüsegärtchen voller Karotten und Bohnen vor. Kühe auf der Pressetribüne. Reisfelder auf dem Spielfeld. Die gewaltigstedieser Festungen sehen wir schemenhaft am Horizont aufragen, ihr ausfahrbares Dach lässt die Sonne herein und verhöhnt uns.
    Dann endlich wittern wir Beute. Der Geruch nach Leben setzt unsere Nasen unter Strom, jäh und heftig. Sie sind ganz nah, und es sind viele. Vielleicht fast halb so viele wie wir. Wir zögern, stolpern, kommen zum Stehen. M sieht mich an. Er schaut auf unsere kleine Truppe und dann wieder zu mir. »Nein«, grunzt er.
    Ich deute auf den gekrümmten, verfallenen Wolkenkratzer, aus dem der Duft strömt, Schwaden, die wie im Comic einen lockenden Finger formen: Komm …
    »Fressen«, beharre ich.
    M schüttelt den Kopf. »Zu … viele.«
    » Fressen .«
    Er wirft wieder einen Blick auf unsere Gruppe. Er nimmt Witterung auf. Die Gruppe ist unentschlossen. Einige schnüffeln misstrauisch, andere haben wie ich nur eines im Sinn. Sie knurren und sabbern und fletschen die Zähne.
    Ich bin ganz aufgeregt. »Ich brauche!«, brülle ich und starre M an. »Komm … schon.« Ich drehe mich um und stampfe auf den Wolkenkratzer zu. Ein zielgerichteter Gedanke. Der Rest der Gruppe folgt mir reflexartig. M schließt zu mir auf und sieht mich mit gequälter Fratze an.
    Meine verzweifelte Energie springt auf die Gruppe über. Wir brechen durch die Drehtür und stürzen durch die dunklen Flure. Ein Erdbeben oder eine Explosion hat einen Teil des Fundaments zerstört, und das ganze Hochhaus neigt sich im schwindelerregenden Winkel eines Spiegelkabinetts. Es ist schwer, sich in den verschlungenen Fluren zurechtzufinden, das Gefälle macht schon das Gehen schwierig, doch der Geruch ist überwältigend. Ein paar Treppen weiter kann ich sie sogar hören. Wie sie klappernund in diesen stetigen, melodiösen Wortströmen miteinander reden. Die Sprache der Lebenden ist schon immer ein Klangpheromon für mich gewesen, und für einen kurzen Augenblick krampfe ich mich zusammen, als sie mir in die Ohren dringt. Noch habe ich keinen anderen Zombie getroffen, der meine Vorliebe für diese weichen Rhythmen teilt. M hält sie für einen widerlichen Fetisch.
    Ein paar von uns stöhnen laut, als wir ihre Etage erreichen, und die Lebenden hören uns. Einer von ihnen schlägt Alarm, und ich höre, wie sie ihre Waffen entsichern, aber wir zögern nicht. Wir brechen durch eine letzte Tür und stürzen auf sie zu. M grunzt, als er sieht, wie viele es sind, aber zusammen werfen wir uns auf den nächstbesten Kerl.
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