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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies
Autoren: Isaac Marion
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Stunden lang wandern wir so ziellos umher, dann packt sie meine Hand und zieht mich in eine bestimmte Richtung. Wir stolpern die erstarrten Rolltreppen hinab und hinaus auf das Rollfeld.
    Die Toten haben auf der Startbahn ein Heiligtum errichtet. Irgendwann in grauer Vorzeit hat jemand alle Gangways zu einem Kreis zusammengeschoben, sodass sie eine Art Amphitheater bilden. Hier kommen wir zusammen, hier stehen wir, heben unsere Hände und klagen. Im innersten Zirkel schwenken die alten Knochen ihre skelettierten Glieder, ihre Zahnreihen raspeln wortlose Gebete. Ich begreife nicht, was das soll. Ich glaube, niemand von uns versteht es. Doch es ist das einzige Mal, dass wir uns aus freiem Willen unter offenem Himmel versammeln. Das gewaltige kosmische Maul, die fernen Gipfel wie Zähne im TotenschädelGottes, gähnend weit aufgerissen, um uns zu verschlingen und hinunterzuschlucken, bis wir da sind, wo wir wahrscheinlich hingehören.
    Meine Freundin scheint viel frömmer zu sein als ich. Sie schließt ihre Augen und schwenkt ihre Arme beinahe so, als käme es von Herzen. Ich stehe neben ihr und strecke meine Hände schweigend himmelwärts. Wie auf ein Kommando, ausgelöst vielleicht von ihrer Inbrunst, unterbrechen die Knochen ihr Gebet und starren uns an. Einer von ihnen kommt heran, erklimmt die Stufen unserer Gangway, und seine Klaue fasst uns beide bei den Handgelenken. Er führt uns hinab in den Kreis und reißt unsere Arme hoch. Eine Art Röhren entfährt ihm, schockierend laut, ein unirdisches Geräusch, als bliese er in ein zerbrochenes Jagdhorn und triebe die Vögel in den Bäumen zur Flucht.
    Die Gemeinde murmelt eine Antwort, und dann ist es geschehen. Wir sind verheiratet.
    Wir kehren auf unsere Gangway zurück. Der Gottesdienst geht weiter. Meine neue Frau schließt die Augen und schwenkt die Arme.
    Am Tag nach unserer Hochzeit kriegen wir Kinder. Eine kleine Gruppe Knochen hält uns in der Halle auf und präsentiert sie uns. Ein Junge und ein Mädchen, beide etwa sechs Jahre alt. Der Junge hat blonde Locken, graue Haut und graue Augen, vielleicht war er mal Kaukasier. Das Mädchen ist dunkler, schwarzes Haar und aschbraune Haut, schwarze Schatten um ihre stählernen Augen. Sie könnte Araberin gewesen sein. Die Knochen stupsen sie vorwärts, und die Kinder lächeln uns zögerlich an, umklammern unsere Beine. Ich tätschele ihnen die Köpfe und frage sie nach ihren Namen, aber sie haben keine. Ich seufze, und meine Frau und ich gehen weiter, Hand in Hand mit unseren neuen Kindern.
    Ich habe so etwas nicht gerade geplant. Es ist eine große Verantwortung. Anders als den Erwachsenen fehlt den jungen Toten der Futterinstinkt. Man muss sich um sie kümmern und sie ausbilden. Und sie werden nie groß. Verkümmert durch den Fluch, der auf uns liegt, bleiben sie klein. Sie verrotten und werden kleine Skelette, lebhaft, aber leer, in den ewig selben Routinen und Ritualen gefangen, bis eines Tages, wie ich nur annehmen kann, auch noch ihre Knochen vergehen und sie einfach verschwunden sein werden.
    Schaut sie an. Seht sie, wie meine Frau und ich ihre Hände loslassen und sie draußen spielen gehen. Sie necken einander und grinsen. Sie spielen mit Dingen, die nicht einmal Spielzeug sind: Heftklammern und Becher und Taschenrechner. Sie kichern und lachen, auch wenn es aus ihren trockenen Hälsen wie ein Würgen klingt. Wir haben ihr Hirn gebleicht, ihnen den Atem geraubt, aber sie klammern sich immer noch an den Rand der Klippe. Sie wehren sich gegen unseren Fluch, so lange sie können.
    Ich sehe ihnen zu, wie sie im blassen Tageslicht im Ausgang der Halle verschwinden. Tief in mir, in einer dunklen und spinnwebverklebten Kammer, spüre ich einen Stich.

Und wieder ist Zeit , fressen zu gehen.
    Ich weiß nicht, wie lang unsere letzte Jagd zurückliegt, wahrscheinlich nur ein paar Tage, aber ich spüre es. Ich spüre, wie die elektrische Spannung aus meinen Gliedern strömt, schwindet. Ich habe unwiderstehliche Visionen von Blut, diesem großartigen, hypnotisierenden Rot, das in komplizierten Netzen und pulsierenden Pollock-Fraktalen durch rosa Gewebe fließt.
    Ich finde M mit einigen Mädchen in der Fressmeile. Er ist ein bisschen anders als ich. Offenbar genießt er die Gesellschaft von Frauen, und seine überdurchschnittliche Art zu reden zieht sie an wie geblendete Karpfen. Doch er hält Abstand. Er tut sie mit einem Lachen ab. Die Knochen wollten ihn mal mit einer Frau verkuppeln, aber er ist einfach weggegangen.
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