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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies
Autoren: Isaac Marion
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Natürlich fresse ich ihn nicht ganz auf, denn lasse ich ihm sein Hirn, wird er wieder aufstehen und mir zum Flughafen folgen, und vielleicht fühle ich mich dann besser. Ich werde ihn jedem vorstellen, und vielleicht stehen wir dann eine Weile zusammen herum und stöhnen ein wenig. Schwer zu sagen, was »Freundschaft« jetzt heißt, aber das könnte ihr nahekommen. Wenn ich mich zusammenreiße, wenn ich genug übriglasse …
    Aber nein. Ich kann nicht. Wie immer gehe ich gleich auf die besten Stücke los, die Teile, die meinen Kopf wie einen Bildschirm aufleuchten lassen. Ich esse das Hirn, und für etwa dreißig Sekunden habe ich Erinnerungen. Paraden, Parfüm, Musik … Leben blitzt auf. Dann verblasst es und ich richte mich auf und wir alle stolpern aus der Stadt, immer noch kalt und grau, aber wir fühlen uns ein bisschen besser. Nicht gerade »gut«, nicht »glücklich«, bestimmt nicht »lebendig«, aber … ein bisschen weniger tot. Besser wird es nicht.
    Als die Stadt hinter uns verschwindet, hänge ich ein Stück weit hinter den anderen zurück. Meine Schritte sind etwas schwerer als ihre. Als ich an einem Schlagloch voll Regenwasser haltmache, um mir das Blut von Gesicht und Kleidern zu reiben, bleibt auch M zurück und legt mir eine Hand auf die Schulter. Er weiß um den Abscheu, den ich vor manchen unserer Gewohnheiten habe. Er weiß, dass ich ein bisschen sensibler bin als die meisten. Manchmal zieht er mich deshalb auf, dreht mein schmutziges schwarzes Haar zu Zöpfen und sagt: »Mädchen. So ein … Mädchen.« Aber er weiß, wann er meinen Trübsinn ernst nehmen muss. Er tätschelt meine Schulter und schaut mich einfach an. Ausdrücken kann seine Mimik nicht mehr viel, aber ich weiß, was er sagen will. Ich nicke, und wir gehen weiter.
    Ich weiß nicht, warum wir töten müssen. Ich weiß nicht, was es bringt, sich durch das Genick eines Mannes zu beißen. Ich raube, was er hat, um zu ersetzen, was mir fehlt. Er verschwindet und ich bleibe. Es ist simpel, aber sinnlos, der willkürliche Erlass irgendeines geisteskranken Gesetzgebers im Himmel. Doch zu gehorchen hält mich in Gang, und so gehorche ich aufs Wort. Ich fresse, bis ich nicht mehr fresse, und dann fresse ich wieder.
    Wie hat es angefangen? Wie sind wir geworden, was wir sind? War es ein geheimnisvolles Virus? Gammastrahlen? Ein uralter Fluch? War es noch absurder? Niemand redet groß darüber. Hier sind wir und so ist es. Wir beklagen uns nicht. Wir stellen keine Fragen. Wir gehen unseren Geschäften nach.
    Zwischen mir und der Welt, die mich umgibt, klafft ein Abgrund. Eine Kluft, die meine Gefühle nicht überwinden können. Bevor meine Schreie die andere Seite erreicht haben, sind sie zu einem Stöhnen geschrumpft.
     
    Im Ankunftsbereich werden wir von einer kleinen Gruppe begrüßt, die uns aus gierigen Augen oder Augenhöhlen anstarrt. Wir lassen unsere Last auf den Boden fallen: zwei ziemlich intakte Männer, ein paar fleischige Beine und ein in Stücke gerissener Rumpf, alles noch warm. Nennen wir es Reste. Nennen wir es Takeout. Unsere Mit-Toten fallen darüber her und fressen gleich hier, auf dem Boden, wie Tiere. Das restliche Leben, das in diesen Zellen steckt, verhindert ihr endgültiges Sterben, ganz satt aber werden Tote, die nicht jagen, nie. Wie Seefahrer, denen frisches Obst fehlt, wird der Mangel sie welk werden lassen, schwach und auf Dauer inwendig leer, denn der neuartige Hunger ist ein einsames Monster. Das braune Fleisch und das lauwarme Blut akzeptiert er nur widerwillig, wonach er sich nämlich wirklich sehnt, ist Nähe, diese grauenvolle Verbindung, die entsteht, wenn sie und wir in jenen letzten Augenblicken aufeinandertreffen, einem dunklen Negativ der Liebe gleich.
    Ich winke M zu und löse mich dann aus der Menge. An den beißenden Gestank der Toten habe ich mich schon lange gewöhnt. Aber heute ist der Dunst, der von ihnen aufsteigt, besonders ekelhaft. Atmen ist Wahlfach, aber ich muss mir ein bisschen Luft verschaffen.
    Ich wandere in den Hallen umher und fahre Laufband. Ich stehe auf dem Stahl und sehe zu, wie die Szenerie hinter dem Panoramafenster vorbeizieht. Das Rollfeld wird begrünt, von Gräsern und Büschen überwuchert. Flugzeuge liegen wie gestrandete Wale reglos auf dem Beton, weiß und monumental. Moby Dick, doch noch besiegt.
    Früher, als ich am Leben war, hätte ich das niemals gekonnt. Still stehen, die Welt an mir vorbeiziehen lassen, an fast gar nichts denken. Ich erinnere mich an Ziele
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