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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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Feuerwehrhauptmann einen höheren Rang. Das war ihm klar. Er sagte, die Gesellschaft wisse nicht einmal, wie sie einen Schriftsteller titulieren solle. So wenig zählt der Schriftsteller. Manchmal wird ihm ein Denkmal errichtet, oder man sperrt ihn ein. Aber in Tat und Wahrheit ist für die Gesellschaft ein Schriftsteller nichts und niemand, ein Federfuchser. Herr Redakteur oder Meister, so nennt man den Schriftsteller noch am ehesten. Aber er war ja kein Redakteur, und den Meister stellt man sich als Künstler mit langen Haaren vor, die Muse umarmend. Er hatte eine Glatze, und von der Muse war nichts zu sehen. Herr Schriftsteller, so könne man ihn auch nicht nennen, sagte er, denn diese Bezeichnung habe keinen Sinn. Man sei entweder Herr oder Schriftsteller, aber nicht beides zusammen.
    Es war nie klar, ob er es ernst meinte, was er sagte. Mir schien, er hätte auch das Gegenteil sagen können, und es hätte genauso gestimmt. Und wenn er mir in die Augen blickte, war es, als spräche er gar nicht zu mir. Einmal zum Beispiel – das ist lange her, ich hatte es vergessen, aber jetzt erinnere ich mich wieder –, ich saß zwischen zwei Bombenangriffen in seinem Zimmer, mit dem Rücken zum Schreibtisch. Ich dachte, er beachte mich nicht, denn er las in einem Wörterbuch. Ich nahm die Puderdose aus meiner Tasche, prüfte im kleinen Spiegel meine Nase und puderte sie.
    Auf einmal höre ich, wie er sagt: »Sie sollten sich in acht nehmen.«
    Ich erschrak, drehte mich um und starrte ihn an. Er stand auf und stellte sich mit verschränkten Armen vor mich hin.
    »Wieso soll ich mich in acht nehmen?« fragte ich.
    Er betrachtete mich mit seitwärts geneigtem Kopf und pfiff leise.
    »Sie sollten sich in acht nehmen, denn Sie sind schön«, sagte er anklagend, aber auch besorgt.
    Ich mußte lachen: »Vor wem denn? Vor den Russkis?«
    Er zuckte mit den Achseln: »Die wollen Sie bloß kurz hinlegen und dann weiterziehen. Aber es werden andere kommen, solche, die Ihnen die Haut über die Ohren ziehen wollen, weil Sie schön sind.«
    Er beugte sich über mein Gesicht, um mich mit kurzsichtigen Augen zu betrachten. Als hätte er erst jetzt gemerkt, daß ich ein ganz hübsches Ding war. Vorher hatte er mich nie so angesehen. Jetzt tat er es endlich. Aber auf eine sachverständige Art, wie ein Jäger, der einen Rassehund betrachtet.
    »Mir die Haut über die Ohren ziehen?« Ich lachte, aber mit trockener Kehle. »Was für welche denn? Lustmörder?«
    Er sagte streng: »Es kommt eine Welt, in der alle verdächtig sein werden, die schön sind. Und alle, die begabt sind. Und alle, die Charakter haben.« Er sprach heiser. »Verstehen Sie nicht? Schönheit wird eine Beleidigung sein. Begabung eine Provokation. Charakter ein Attentat. Denn jetzt kommen sie, aus allen Richtungen kriechen sie hervor, Hunderttausende und noch mehr. Von überall her. Die Grobschlächtigen. Die Unbegabten. Die Charakterlumpen. Und sie werden das Schöne mit Vitriol übergießen. Und die Begabung mit Pech und Schwefel und übler Nachrede verfolgen. Und erdolchen, wer Charakter hat. Sie sind schon da. Und werden immer mehr. Passen Sie auf.«
    Dann setzte er sich wieder an den Tisch und bedeckte mit beiden Händen das Gesicht. Lange saß er so. Plötzlich fragte er: »Soll ich einen Kaffee machen?«
    So war er.
    Und noch anders. Er wurde alt, aber manchmal war es, als lachte er sich ins Fäustchen, vor Schadenfreude über das Altern. Weißt du, es gibt Männer, die das Gefühl haben, das Alter sei die Zeit der Rache. Die Frauen drehen in dieser Zeit durch, schlucken Hormone, schminken sich meterdick, angeln sich junge Männer. Manche Männer hingegen lächeln, wenn sie alt werden. Und so ein lächelnd alternder Mann kann für die Frauen gefährlicher sein als ein junger Platzhirsch. Im ewig gleichen, aber auch ewig spannenden Geschlechterkampf ist in solchen Fällen der Mann der Stärkere, weil er nicht mehr vom Begehren gepeitscht wird. Nicht sein Körper verfügt über ihn, sondern er über seinen Körper. Und die Frauen spüren das wie Tiere den Jäger. Wir herrschen nur so lange, wie wir euch Männer leiden lassen können. Solange wir euch mit Zuckerbrot und Peitsche hinhalten und immer wieder auf Entzug setzen können und ihr dann brüllt und Briefe schreibt und droht, so lange spazieren wir beruhigt durch die Gegend, denn wir haben noch Macht. Aber wenn ein Mann altert, ist er der Stärkere. Na gut, nicht für lange Zeit. Das Altern und das Alter sind ja
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