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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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Konsequenzen. Er faßte den königlichen Dienst so auf, daß die Sache der Person übergeordnet sei. Manche militärische Karriere hat der Prinz mit ruhiger Hand gebrochen, sobald die schlagfertige Tüchtigkeit der Armee ihm ein solches Opfer abforderte, dieselbe Hand, welche in stiller Heimlichkeit bedrängten Offiziersfamilien, den Witwen und Waisen alter Soldaten so reichlich gab! Denn der Wohltätigkeitssinn des Prinzen übersprang nur zu gern die Grenzen, welche schließlich auch einem fürstlichen Haushalte gezogen sind. Hier waren sie sogar enger gezogen, als gemeinhin bekannt ist, und erst von 1883 ab trat eine Wandlung zum Besseren ein. Zu allen Zeiten aber stand des Prinzen Bereitwilligkeit zu helfen im Bunde mit der Scheu, daß die Welt um seine Wohltaten wisse.
    In reicher Fülle hatte die Vorsehung dem Prinzen ihre Gaben verliehen; nicht allein dadurch, daß sie ihn auf eine Höhe stellte, wo nur Wenige wandeln, sondern auch dadurch, daß sie eine Summe herrlicher Kräfte in ihn legte. Aber seine Tugenden waren so gewählt, daß sie ihrem Träger oft Leiden bereiteten. Er empfand die Wirkungen um so schmerzlicher, je tiefer, je zarter besaitet sein sonst so starkes Gemüt war und ›so mischten sich die Element' in ihm, daß die Natur aufstehen konnt' und sagen: dies war ein Mann.‹
    Und dennoch geht ein wehmütiger Zug durch den Lebensabend dieses Helden und das letzte Telegramm, das er einem Freunde sandte, lautete: ›Bedenke, Mensch, daß Du von Staub und Asche bist und wieder Staub und Asche werden sollst!‹«
     
    *
     
    So Güßfeldt. Man wird ihm in allem, was er pietätvoll zum Lobe des Prinzen sagt, zustimmen und doch zugleich der Meinung sein dürfen, daß (eben aus Pietät) manches Wichtige verschwiegen oder mit leichter Hand berührt worden sei. Der Prinz erinnert in vielen Stücken an den Rheinsberger Prinzen Heinrich. Dieser hatte freilich die Formen des vorigen Jahrhunderts, aber dies schuf mehr einen scheinbaren als einen wirklichen Unterschied. Ich mag mich nicht in Einzelpunkte verlieren (unter denen übrigens einige wichtig genug sind) und beschränke mich darauf, dem tiefsten Quell seines Unmuts nachzugehen: dem ihn verzehrenden Gefühl, in seinem militärischen Verdienste nicht ausreichend gewürdigt worden zu sein. Ich möchte behaupten, daß der Prinz – so guten Grund er haben mochte, sich anderweitig bedrückt und zurückgesetzt zu fühlen – in speziell dieser bitteren Empfindung in seinem Rechte war. Er war durch Jahrzehnte hin der Abgott der Armee, der eigentliche Soldatenprinz, und die höchsten Ehren, die seinem unbestreitbaren Verdienste verliehen werden konnten, wurden ihm verliehen: er war Feldmarschall und Armeeführer und trug Ordensauszeichnungen, die für ihn und seinen Mitbewerber im Ruhm, den Kronprinzen, eigens ins Leben gerufen waren. Heer und Kaiser sind ihm nichts schuldig geblieben. Aber er verlangte mehr. Mit dem feinen Ohr aller Hoch- und Höchststehenden, unterschied er in dem Zujauchzen der Menge die Grade der Verehrung und mußte sich sagen, was auch tatsächlich zutraf, daß es ein »Mehr« gab, das ihm nicht zuteil wurde. Dies war und blieb der schmerzliche Punkt. Es war ihm nicht genug, als ein wiedererstandener Blücher, der »Verwalter des Schlachtfeldes« (wie es im Liede heißt) zu sein, er rang auch nach dem Ruhme des Schlachtendenkers und litt unter der Vorstellung, auf diesem Gebiete günstigstenfalls als ein zweiter angesehen zu werden. Aller Ruhm, der der Schärfe seines Blickes und der Raschheit und Energie seiner Entschlüsse gezollt wurde, ließ ihn nicht vergessen, daß die Welt mehr Bewunderung für die große Strategie von Sedan, als für die Kühnheiten und Opferritte von Mars la Tour hatte. Solche Gefühle gehegt zu haben, ist menschlich verzeihlich, aber es ist größer und glückbringender, sie bezwungen zu haben. Auch sein Vetter, der Kronprinz, war kein erster in der Welt der Strategen, aber es ist nicht bekannt geworden, daß ihm das Gefühl, von einem Genius überflügelt zu sein, jemals die Freude des Daseins getrübt hätte.
    Diese Bemerkungen, die meiner dankbaren Verehrung für den Prinzen wahrlich keinen Abbruch tun, decken sich, soviel ich weiß, mit den Anschauungen weitester militärischer Kreise. Sollte dies aber nicht der Fall sein, so werd' ich, wenn ich von besser unterrichteter Seite her in diesem heiklen Punkte rektifiziert werden sollte, gerne Veranlassung nehmen, meinem irrtümlichen Urteile das fachmännisch
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