Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wandel

Wandel

Titel: Wandel
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
Terror, die sich unaufhaltsam über den Globus ergoss und alles zerstörte, was halbwegs an Ordnung oder Zivilisation erinnerte.
    Ich kann nicht sagen, was geschah, nachdem ich das Ritual ausgelöst hatte, in meiner Erinnerung klaffte eine Lücke von ungefähr zwei Minuten. Ich hatte keinerlei Bedürfnis, sie zu füllen.
    Woran ich mich als Nächstes erinnere? Ich stand vor dem Tempel, in den Armen Maggie, die ich in den schweren Federumhang ihrer Mutter gehüllt hatte. Sie zitterte immer noch und weinte noch leise vor sich hin, aber jetzt nicht mehr aus Angst, sondern als Reaktion auf alles, was sie hatte mitmachen müssen. Hinter mir auf dem Boden lagen ihre Fesselchen, aber ich konnte nicht sagen, wie ich sie abbekommen hatte, ohne ihr wehzutun. Ich hatte ihr eine Falte des Umhangs unter den Kopf geschoben, und sie lehnte sich an mich, als ich mich auf die oberste Stufe der Pyramidentreppe setzte und mir ansah, wofür ich gerade einen so hohen Preis bezahlt hatte.
    Der Rote Hof war tot. Fort. Komplett. Übrig geblieben war dort, wo es Vampire erwischt hatte, im Wesentlichen schwarzer Schlamm. Bei den Halbvampiren lag die Sache anders, die hatten nur den Vampirteil ihres Wesens eingebüßt und waren durch den Stammbaumfluch geheilt worden.
    Natürlich hatte der Vampir in ihnen für übernatürlich langes Leben, Schönheit und Jugend gesorgt.
    Zu meinen Füßen alterten Hunderte von Menschen mit jedem Atemzug, den ich tat, ein Jahr. In den meisten Fällen welkten sie dahin und wurden zu Nichts. Dem Anschein nach ließen sich die Halben in zwei Gruppen aufteilen: die, die ihren Blutdurst gemeistert und so Jahrhunderte überlebt hatten, und die, die noch nicht lange Halbvampire gewesen waren. Letztere hatten es nur selten bis in die Ränge des Roten Hofes geschafft. Wie sich später herausstellte, hatten viele der jungen Halbvampire für die Bruderschaft gearbeitet, aber von denen wiederum hatten die Roten die meisten bereits getötet. Ungefähr zweihundert, erfuhr ich später, hatten wir von ihrem Fluch erlöst.
    Diese Zahlen jedoch spielten für mich keine Rolle, mir konnte es egal sein, wie viele Halbvampire ich mit meiner Entscheidung befreit hatte. Denn eine fehlte.
    Zum Roten Hof hatten natürlich auch ein paar Neulinge gehört, die einfach wieder zu Menschen wurden, als das Ritual vollzogen war. Sie und die anderen Sterblichen, die zu blöd gewesen waren, die Beine in die Hand zu nehmen, nachdem der Graue Rat die Gefangenen im Viehtransporter befreit hatte, hielten nicht lange durch. Aus den ängstlichen Opfern der Roten wurden Furien, und keiner, der zu den Roten gehört oder für sie gearbeitet hatte, starb eines schönen Todes. Ich musste mit ansehen, wie eine gesetzte Dame mittleren Alters ganz ohne Hilfe Alamaya mit einem Stein erschlug.
    Ich hatte genug für einen Tag, ich mischte mich nicht ein.
    So schaukelte ich meine Tochter, bis sie in meinen Armen einschlief. Lea setzte sich neben mich. Ihr Gewand war angesengt und voller Blutflecken, auf ihren Lippen lag ein glückliches Lächeln. Leute kamen und sagten etwas. Ich schenkte ihnen keine Beachtung. Sie drängten mich nicht. Ich glaube, Lea schreckte sie ab.
    Irgendwann kam auch Ebenezar, der in der Linken immer noch den Schwarzstab hielt. „Familienangelegenheiten“, sagte er zu Lea. „Wenn du uns kurz mal entschuldigen würdest?“
    Lea schenkte ihm ein süffisantes Grinsen, ehe sie aufstand und verschwand.
    Ebenezar setzte sich neben mich auf die östliche Treppe des Tempels des Kukulcan und starrte hinaus in den Dschungel. „Bald geht die Sonne auf.“
    Ich sah nach. Er hatte recht.
    „Hier verstecken sich die Leute in ihren Häusern, bis die Sonne aufgeht. Der Rote Hof hat sich hier ab und an getroffen, neue Adlige geweiht und was sonst noch. Die Menschen haben gelernt, dass man sich nachts lieber versteckt, wenn man am Leben bleiben will.“
    „Ja“, sagte ich. So war das mit der Gleichgültigkeit der Welt, besonders in Ländern, die auf dem internationalen Parkett keine allzu große Rolle spielten. In Mexiko passierte etwas echt Schräges, zwanzig Millionen Menschen konnten bezeugen, es gesehen zu haben – und in der Welt interessierte das niemanden.
    „Wenn die Sonne aufgeht, werden sie rauskommen. Jemand wird die Behörden verständigen, und dann wimmelt es hier von Leuten, die Fragen stellen.“
    Ich hörte zu und hatte gegen keine seiner Äußerungen Einwände. Langsam wurde mir klar, dass sie durch eine logische Schlussfolgerung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher