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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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neben ihm die Zimt-Cola wegzunehmen. Der Junge schreit nach seiner Mama, sodass Kerbil es für angebracht hält, das Kursfeuerwerk zu verlassen und sich in Walpars Schutzzone zu begeben. Er nimmt sich vor, seinem Onkel mit der Colaflasche zuzuprosten, wie es Erwachsene tun, wenn sie gerade einen coolen Coup gelandet haben.
Kerbils Augen müssen sich an die nicht blinkende Umgebung draußen erst gewöhnen. Dann sieht er, dass sein Onkel ein Stück entfernt vom Eingang steht und ziemlich unglücklich nach rechts schaut. Kein Wunder, denn da kommt die Mutter von dem Mädchen, mit dem er gerne eine Cola getrunken hätte. Sie hält eine Krawtov 0,9 Schnellschusspistole in der Hand.
Russische Waffe, ziemlich solide Technik, in Filmen sehr beliebt, weil die chinesische Schreckschuss-Kopie spottbillig ist. Genaugenommen könnte es eine solche Kopie sein, die die Frau in der Hand hält. Aber sie öffnet gerade den Mund. Kerbil hat genug Filme gesehen, um zu wissen, was jetzt kommt.
Sie wird etwas sagen wie »Hasta la vista, Baby« und abdrücken.
Der Junge zögert nicht. Er handelt.

In den Augen der Frau blitzt bezahlte Entschlossenheit. Walpar hat dergleichen oft genug gemieden, um auch jetzt ruhig und gelassen zu bleiben. Er weiß, dass er nur freundlich aber bestimmt Nein sagen muss, um in Ruhe gelassen zu werden. Jedenfalls hat das bisher immer geklappt. Einmal, genaugenommen. Öfter war Walpar noch nicht in dieser Situation, muss er zugeben.
Ohne Zweifel hat diese Agentin des Bösen nur auf den richtigen Moment gewartet. Sie will Walpar alleine erwischen, Kerbil ist nicht Teil ihres Plans. Ihr eigenes Kind ist sicher nur schlaue Tarnung, und sie hat es in ein Karussell gesetzt, um in Ruhe ihren Job zu erledigen. Sie wird einen Menschen töten, danach die kleine Henriette am Karussell abholen und fragen:
»Na, ist dir auch nicht schlecht geworden?«
Walpar versucht die Sache mit dem Nein, aber es klappt nicht. Er sieht genau, wie sich die Brüste der Frau heben, weil sie tief Luft holt. Sehr vernünftig von ihr, denn so lässt sich die Waffe genauer abfeuern. Oder sie hat einen Abschiedsgruß auszurichten. Walpar versucht zu erraten von wem.
Er kommt nicht drauf.
Ein Gegenstand fliegt auf die Hand mit der Waffe zu.
Die Frau schießt.
Walpar spürt, wie ihn das Geschoss trifft. Er weiß, dass er jetzt umfallen sollte, aber irgendwie ist er nicht ganz sicher, ob der Boden sauber ist. In seinen Haaren sieht man jeden Schmutz sofort.
Irgendjemand schreit. Eine Sirene heult.
Dann kommt der Schmerz. Walpar fällt.
Die Richtung ist jetzt egal.

2 ThaiTek Discountkrankenhaus, Mars
     
    Engel mit Stummelschwänzen singen über Suppe, während ein bärtiger Koch langsam Tod und Leben verrührt. Dadurch wird das Gebräu leider ziemlich salzig. Walpar mag keine salzige Suppe. Er nimmt sich vor, den Küchenchef zur Rede zu stellen. Also klappt er die Augen auf und den Mund gleich hinterher. »Rosenkohl wäre nett«, brabbelt er. »Mit Amaranth bitte.
Amaranth, nicht Absinth.«
»Herzlich Glückwunsch zum Überleben«, sagt eine Stimme. Walpar kann ihren Ursprung nicht erkennen. Aber langsam stellt sich die Bildschärfe ein.
Unter der Decke hängt ein Bildschirm, auf dem Reklame in Zeitlupe läuft.
Lebensverlängerungsbehandlungen werden in diesem Krankenhaus besonders günstig angeboten. Für Verjüngungskuren ist man über die Grenzen von Olympus City hinweg bekannt. Ach ja, und dass die Notfallambulanz auf Zack ist, merkt Walpar daran, dass er noch lebt.
Seine linke Schulter hämmert. Walpar muss an seinen kahlköpfigen Nachbarn denken, Apartment 204, gleich links von seinem eigenen, das aus schwer nachvollziehbaren Gründen die Nummer 234 hat. Vor einigen Monaten hat sich Frau Nachbar von Herrn Nachbar getrennt, laut Flurfunk wegen eines Jüngeren, der noch Haare hat. Herr Nachbar hämmert, schraubt und bohrt jetzt von morgens früh bis abends spät, und wenn er besonders mies drauf ist, gönnt er sich nächtliches Meißeln. Mit der Zeit hat er mehrere Klappdübel in Walpars Stirnlappen angebracht, jedenfalls fühlt es sich so an. Nachfragen und freundliche Bitten um Ruhe quittiert der Gehörnte stets wie folgt: »Wenn dir die Frau weggelaufen wäre, würdest du auch Amok laufen.«
An dieser Stelle ist die Diskussion immer zu Ende, weil Walpar das Frau-oder-nicht-Frau-Thema nicht vertiefen möchte.
Walpar findet die Ruhe im Krankenhaus sehr angenehm. Nur die Werbespots könnten etwas leiser sein. Er beschließt, Ausschau nach der
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