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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
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zweihundert Kilometer. Aber wir haben es nicht eilig.«
    Sie verließen die Stadt und fuhren auf die Autobahn.
    »Was erwartet uns?«, fragte Sten Nordlander.
    »Nichts, als dass du ein Gespräch anhören sollst.«
    Sten Nordlander stellte keine weiteren Fragen. Weiß er, wohin wir fahren?, dachte Wallander. Spielt er den Erstaunten? Er war nicht sicher. Tief in seinem Innersten gab es natürlich einen Grund, warum er seine Waffen mitgenommen hatte. Ich kann nicht wissen, ob ich mich nicht verteidigen muss, dachte er. Ich kann nur hoffen, dass es nicht notwendig wird.
     
    Sie erreichten den Hafen um zehn Uhr am Abend. Wallander hatte auf einem langen Aufenthalt zum Abendessen in Söderköping bestanden. Schweigend hatten sie auf den Fluss geschaut, der durch die Stadt floss und zuzuwachsen drohte. Das von Wallander bestellte Boot lag im inneren Hafenbecken bereit.
    Gegen elf Uhr näherten sie sich dem Ziel. Wallander stellte den Motor ab und ließ das Boot an Land treiben. Er horchte. Alles war still. Sten Nordlanders Gesicht war in der Dunkelheit kaum zu sehen.
    Dann gingen sie an Land.

 
40
     
    Vorsichtig bewegten sie sich durch das Spätsommerdunkel. Wallander hatte Sten Nordlander zugeflüstert, er solle dicht bei ihm bleiben, aber er hatte ihm keine Erklärung gegeben. Sobald sie die Insel betreten hatten, war Wallander sicher, dass Sten Nordlander Håkan von Enkes Versteck nicht kannte. So geschickt hätte niemand verbergen können, dass er wusste, wo der Mann, den sie suchten, zu finden war.
    Wallander blieb stehen, als er in einem Fenster der Jagdhütte Licht sah. Durch das schwache Rauschen vom Meer her konnte er Musik hören. Es dauerte einige Sekunden, bis ihm klar wurde, dass das Fenster offen stand.
    Er drehte sich zu Sten Nordlander um und flüsterte: »Du kannst nicht glauben, dass Louise eine Spionin war?«
    »Findest du das verwunderlich?«
    »Nicht im Geringsten.«
    »Ich höre, was du sagst, aber ich sträube mich dagegen, zu glauben, dass es wahr ist.«
    »Und daran tust du recht«, sagte Wallander langsam. »Was ich dir erzähle, ist das, was man uns glauben machen will .«
    Sten Nordlander schüttelte den Kopf. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
    »Was ich sage, ist ganz einfach. Die Dokumente in der Handtasche beweisen, dass Louise eine Spionin war. Aber sie können in die Handtasche gesteckt worden sein, als sie schon tot war. Man versuchte auch, den Mord zu kaschieren und wie einen Selbstmord aussehen zu lassen. Als ich Håkan hier auf der Insel getroffen habe, hat er mir sehr eingehend erzählt, dass er über viele Jahre Louise im Verdachthatte, eine Spionin zu sein. Es war absolut glaubwürdig. Aber da begann ich auf einmal zu verstehen, was ich vorher nicht verstanden hatte. Es war, als hielte ich einen Spiegel hoch und sähe alles in einer umgekehrten Perspektive.«
    »Und was hast du gesehen?«
    »Etwas, was alles auf den Kopf stellte. Wie sagt man noch? Dass man etwas auf den Kopf stellen muss, um es auf die Füße zu bekommen? So ging es mir.«
    »Ich soll also die Schlussfolgerung ziehen, dass Louise keine Spionin war? Was redest du da eigentlich?«
    Wallander antwortete nicht auf die Frage. »Ich will, dass du dich hier an die Hauswand stellst«, sagte er. »Bleib da und hör es dir an!«
    »Was denn?«
    »Das Gespräch, das ich gleich mit Håkan von Enke führen werde.«
    »Aber warum dieses Tappen im Dunkeln?«
    »Wenn er weiß, dass du hier bist, riskieren wir, dass er nicht die Wahrheit sagt.«
    Sten Nordlander schüttelte den Kopf. Aber er sagte nichts mehr, protestierte nicht und schlich zum Haus. Wallander stand reglos da. Er hatte eingeplant, dass von Enke mittels seiner Alarmvorrichtung wusste, dass jemand auf der Insel war. Jetzt kam es nur darauf an, dass er die zweite Person, die vor der Jagdhütte stand, nicht bemerkte.
    Sten Nordlander war bereits an der Hauswand. Wallander hätte ihn nicht bemerkt, wenn er nicht gewusst hätte, dass er da war. Er selbst wartete, unbeweglich. Er empfand eine seltsame Mischung von großer Ruhe und Beunruhigung. Das Ende der Geschichte, dachte er. Habe ich recht, oder habe ich den größten Irrtum meines Lebens begangen?
    Er bereute, Sten Nordlander nicht klargemacht zu haben, dass es einige Zeit dauern konnte.
    Ein Nachtvogel flatterte auf und verschwand wieder. Wallander lauschte ins Dunkel nach einem Geräusch, dasihm verriet, dass Håkan von Enke auf dem Weg war. Sten Nordlander stand an der Hauswand und rührte sich nicht.
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