Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Abhörvorrichtung, die die Amerikaner erfolglos an dem russischen Unterwasserkabel anzubringen versuchten. Ich nehme an, dass man dich hier mit einem Schiff abholen würde, falls du evakuiert werden müsstest. Wahrscheinlich hat man dir nichts davon gesagt, dass Louise sterben musste. Aber es waren deine Freunde, die sie getötet haben. Und du kanntest den Preis für das Geschäft, das du betrieben hast. Du konntest nichts tun, um das, was geschah, zu verhindern. War es nicht so? Das Einzige, was ich mich noch frage, ist, was dich bewogen hat, sogar deine Frau zu opfern.«
     
    Håkan von Enke betrachtete seine rechte Hand. Er wirkte irgendwie uninteressiert an dem, was Wallander gesagt hatte. Vielleicht, dachte Wallander, ist es trotz allem die Trauer darüber, dass der Tod von Louise der Preis war, den er bezahlen musste? Jetzt, wo es zu spät ist?
    »Es war nie beabsichtigt, dass sie sterben sollte«, sagte von Enke, ohne den Blick von seiner Hand zu heben.
    »Was hast du gedacht, als du hörtest, dass sie tot ist?«
    Håkan von Enkes Antwort war sachlich, fast trocken. »Es fehlte nicht viel, und ich hätte meinem Leben selbst ein Ende gemacht. Der Gedanke an mein Enkelkind hat mich daran gehindert.«
    Einen Moment schwiegen sie beide. Wallander dachte, dass Sten Nordlander bald hereinkommen sollte. Aber eine Frage wollte er noch beantwortet haben. »Wie ist es zugegangen?«, fragte er.
    »Was?«
    »Ich meine nicht, wie du an deine Informationen gelangt bist. Ich meine, was dich zum Spion gemacht hat.«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Wir haben Zeit. Und du brauchst mir keine erschöpfende Antwort zu geben. Nur so viel, dass ich es verstehe.«
    Håkan von Enke lehnte sich zurück und schloss die Augen. Wallander erkannte auf einmal, dass er einen alten Mann vor sich hatte.
    »Es begann vor langer Zeit«, sagte von Enke, ohne die Augen zu öffnen. »Die Amerikaner kamen schon früh, schon in den sechziger Jahren auf mich zu. Ich war bald von der Notwendigkeit überzeugt, dass die USA und die Nato Zugang zu Informationen benötigten, um uns verteidigen zu können. Allein würden wir es nie schaffen. Ohne die USA wären wir von vornherein verloren.«
    »Wer nahm den Kontakt zu dir auf?«
    »Du musst bedenken, wie die Lage damals war. Es gab eine Reihe von Menschen, junge vor allem, die ihre ganze Zeit dem Kampf gegen den Vietnamkrieg der USA widmeten. Aber die allermeisten von uns wussten, dass wir auf die Unterstützung der Amerikaner angewiesen wären, wenn es eines Tages in Europa knallte. Ich war empört über die ahnungslosen und romantischen Linken. Und ich wollte etwas tun. Ich ging sehenden Auges in die Sache hinein. Es war Ideologie, könnte man sagen. Heute ist es genauso. Ohne die USA wäre die Welt Kräften ausgeliefert, die nichts lieber täten, als Europa all seiner Macht zu berauben. Was hat China für Ambitionen? Was werden die Russen tun an dem Tag, an dem sie ihre internen Probleme gelöst haben?«
    »Aber es muss doch auch Geld mit im Spiel gewesen sein?«
     
    Von Enke antwortete nicht. Er wandte sich ab und versank wieder in seine eigenen Gedanken. Wallander stellte noch einige Fragen, auf die er ebenfalls keine Antwort erhielt. Håkan von Enke hatte das Gespräch ganz einfach beendet.
    Plötzlich stand er auf und ging zu der offenen Küche hinüber. Er holte eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und zog dann eine der Küchenschubladen auf. Wallander folgte ihm mit dem Blick.
    Als Håkan von Enke sich umdrehte, hielt er eine Pistole in der Hand. Wallander sprang auf. Die Waffe war auf ihn gerichtet. Langsam stellte Håkan von Enke die Bierflasche auf die Anrichte.
    Er hob die Waffe. Sie war jetzt auf Wallanders Kopf gerichtet. Der schrie auf, brüllte. Dann sah er, wie die Bewegung der Waffe sich fortsetzte.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte Håkan von Enke. »Es gibt absolut keine Zukunft mehr.«
    Er setzte den Lauf ans Kinn und drückte ab. Der Schuss dröhnte durch den Raum.
    Im gleichen Moment, in dem er mit blutüberströmtem Gesicht zusammensackte, stürzte Sten Nordlander herein. »Bist du verletzt?«, schrie er. »Bist du getroffen?«
    »Nein. Er hat auf sich selbst geschossen.«
    Sie starrten auf den Mann, der in einer unnatürlichen Körperhaltung auf dem Boden lag. Das Blut, das sein Gesicht bedeckte, machte es unmöglich, zu sagen, ob seine Augen offen oder geschlossen waren.
    Wallander erkannte als Erster, dass er noch lebte. Er riss einen Pulli von einer Stuhllehne und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher