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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
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Enke sie alle verraten hatte, am meisten vielleicht jene, die ihm vertraut und ihn weniger als Offizierskollegen denn als Freund gesehen hatten.
    Wallander vermied es, seinen nassen Fuß in das Blut zu setzen, das über den Fußboden gelaufen war. Er sank in den Sessel, in dem er eben noch Håkan von Enke zugehört hatte. Die Erschöpfung hämmerte in ihm. Er dachte, dass ihm die Wahrheit mit jedem Jahr, das verging, zu einer schwereren Bürde wurde. Und doch war sie es, die er ständig suchte.
    Wie weit waren sie schon gekommen, als ich in Djursholm war?, dachte er. Wenn ich davon ausgehe, dass sein Gespräch mit mir Teil des Plans war, mich glauben zu machen, seine Frau sei eine Spionin, um damit alles Interesse von sich selbst abzulenken, dann waren die wichtigsten Entscheidungen bereits gefallen. Vielleicht war Håkan von Enke selbst auf die Idee gekommen, mich zu benutzen? Es auszunutzen, dass sein Sohn mit einer Frau zusammenlebte, deren Vater ein dummer Provinzpolizist war?
    Er empfand Trauer und Zorn zugleich, wie er da im Sessel saß, die beiden toten Männer vor sich. Aber vor allem dachte er in diesem Moment daran, dass Klara nun auch ihren Großvater väterlicherseits nicht mehr erleben würde. Sie musste sich mit den Eltern ihrer Mutter begnügen, einer Großmutter, die gegen den Alkohol kämpfte, und einem Großvater, der immer älter und hinfälliger wurde.
    Vielleicht saß er eine halbe Stunde da, vielleicht länger, bis er sich zwang, wieder Polizist zu werden. Er legte sich einen einfachen Plan zurecht, um alles so zurücklassen zu können, wie es war. Bevor er ging, holte er nur die Wagenschlüssel aus Sten Nordlanders Tasche. Dann verließ er die Jagdhütte und fuhr mit dem Boot in die Dunkelheit hinaus.
    Aber bevor er das Boot zum zweiten Mal ins Wasser schob, hielt er am Ufer inne und schloss die Augen. Es war, als raste die Vergangenheit auf ihn zu. Die ganze ihn umgebende Welt, über die er immer so wenig gewusst hatte. Jetzt war er selbst als Nebenfigur auf der großen Bühne gelandet. Was wusste er heute, was er früher nicht gewusst hatte? Eigentlich nicht viel, dachte er. Ich bin immer noch die verwirrte Gestalt an der Peripherie des großen politischen und militärischen Geschehens. Heute wie damals bin ich eine ängstliche und unsichere Randfigur.
    Er stieß das Boot vom Land ab und schaffte es trotz der Dunkelheit, in den Hafen zu steuern. Er legte das Boot an den Platz, von dem er es geholt hatte. Der Hafen lag verlassen da. Um zwei Uhr setzte er sich in Sten Nordlanders Wagen und fuhr davon. Er parkte den Wagen in der Nähe des Bahnhofs, wischte sorgfältig das Lenkrad, den Schalthebel und die Tür von außen ab und warf die Schlüssel in einen Gully. Dann wartete er auf den ersten Zug nach Süden. Einige Stunden verbrachte er auf einer Parkbank. Es war ein seltsames Erlebnis, sich mit der alten Schrotflinte seines Vaters in dieser fremden Stadt aufzuhalten. Als er imMorgengrauen ein früh geöffnetes Café fand, hatte Nieselregen eingesetzt. Er trank Kaffee und blätterte in alten Zeitungen, bevor er zum Bahnhof ging und in den Zug stieg. Er würde nie wieder herkommen.
    Durchs Zugfenster sah er Sten Nordlanders Wagen auf dem Parkplatz. Früher oder später würde sich jemand dafür interessieren. Das eine würde das andere ergeben. Eine Frage würde sein, wie Nordlander zum Hafen und von dort hinaus nach Blåskär gekommen war. Aber der Bootsvermieter würde Wallander nicht zwangsläufig mit der Tragödie in Verbindung bringen, die sich in der einsam gelegenen Jagdhütte abgespielt hatte. Außerdem würden sicher alle Details der Geheimhaltung unterliegen.
     
    Wallander erreichte Malmö um kurz nach zwölf, holte seinen Wagen und fuhr nach Ystad. Bei der Ausfahrt geriet er in eine Polizeikontrolle. Er zeigte seinen Polizeiausweis, pustete ins Röhrchen.
    »Wie läuft es?«, fragte er seinen Kollegen, um ein aufmunterndes Interesse an den Tag zu legen. »Sind die Leute nüchtern?«
    »Im Großen und Ganzen ja. Aber wir fangen gerade erst an. Irgendeinen erwischen wir immer. Und bei euch in Ystad?«
    »Im Moment ruhig. Aber im August ist in der Regel mehr los als im Juli.«
    Wallander nickte zum Abschied, kurbelte die Scheibe hoch und fuhr weiter. Vor ein paar Stunden habe ich mich noch mit zwei Toten in einem Raum aufgehalten, dachte er. Aber das kann mir niemand ansehen. Unsere Erinnerungen schlagen nicht nach außen durch.
    Auf dem Weg kaufte er ein, holte Jussi und erreichte
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