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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
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als Spion für die Sowjetunion enttarnt.
    Zum Zeitpunkt der Festnahme befand sich der damalige Ministerpräsident Tage Erlander auf dem Heimweg von einer Auslandsreise, einer der wenigen Urlaubswochen, die er in einer von Resos Ferienanlagen in Riva del Sole verbracht hatte. Als Erlander aus dem Flugzeug stieg und von Journalisten bestürmt wurde, war er nicht nur völlig unvorbereitet, er war auch nahezu unwissend, was die Sache betraf. Ihm war weder etwas von der Festnahme bekannt noch von einem suspekten Fliegeroberst namens Wennerström. Möglicherweise waren der Name und der Verdacht bei einem der Einzelberichte, die der Verteidigungsminister ihm von Zeit zu Zeit erstattete, zur Sprache gekommen und aufgewirbelt wie alter Staub. Aber nichts Ernstes, nichts, womit man sichabzugeben hatte. In den trüben Wassern, die den Kalten Krieg ausmachten, war der Verdacht der Spionage für die Russen stets gegenwärtig und trieb dicht unter der Oberfläche. Erlanders Antworten fielen entsprechend aus. Der Mann, der eine lange Reihe von Jahren ununterbrochen schwedischer Ministerpräsident war, siebzehn Jahre, wenn man genau nachzählt, stand wie ein Trottel da und wusste nicht, was er antworten sollte. Weder Verteidigungsminister Andersson noch sonst jemand, der mit dem Fall vertraut war, hatte ihm mitgeteilt, was los war. Während des Fluges von einer knappen Stunde hätte er ausreichend über das schockierende Vorkommnis informiert werden können und die Möglichkeit gehabt, sich auf die Begegnung mit den aufgebrachten Journalisten vorzubereiten. Aber keiner war ihm zum Flughafen Kastrup entgegengekommen, um ihn einzuweihen.
    Auch wenn es nie in Einzelheiten an die Öffentlichkeit drang, stand Erlander in den folgenden Tagen kurz vor dem Rücktritt vom Posten des Ministerpräsidenten und als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei. Nie zuvor war er so enttäuscht gewesen von seinen Kollegen in der Regierung. Und Olof Palme, der schon damals der Mann zu sein schien, den Erlander als Kandidaten für seine Nachfolge betrachtete, teilte loyal dessen Empörung über die Nachlässigkeit, die zu Erlanders Erniedrigung geführt hatte. Olof Palme wachte über seinen Herrn und Meister wie ein Bluthund, pflegte man in regierungsnahen Kreisen zu sagen. Niemand widersprach dem.
    Olof Palme konnte Sven Andersson nie verzeihen, was er Erlander angetan hatte.
    Viele fragten sich später, warum Olof Palme Sven Andersson trotzdem in seine Regierung holte. Das war eigentlich nicht schwer zu verstehen. Hätte Olof Palme gekonnt, hätte er es nicht getan. Aber er konnte ganz einfach nicht. Sven Andersson hatte große Macht und starken Einfluss beider Parteibasis. Er war Arbeitersohn im Gegensatz zu Olof Palme, der altem baltischem Adel entstammte, der Offiziere in der Familie hatte – der selbst übrigens Reserveoffizier war –, der vor allem aber der wohlhabenden schwedischen Oberklasse angehörte. Er hatte keinerlei tiefere Verankerung in der Partei. Olof Palme war ein Überläufer, der es zwar ernst meinte mit seiner parteipolitischen Überzeugung, aber dennoch ein fremder politischer Pilger auf lebenslangem Besuch war.
     
    Åke Leander, der auf dem Flur vor dem Zimmer des Ministerpräsidenten vorbeiging, ein bissig formuliertes Rundschreiben in der Hand, in dem die Nachlässigkeit der Angestellten der Staatskanzlei beim abendlichen Abschließen der Türen angeprangert wurde, hörte den Wutausbruch. Er hielt kurz inne und ging dann weiter, als wäre nichts geschehen.
    Olof Palme konnte seine Wut nicht mehr beherrschen. Hochrot im Gesicht, mit dem eigentümlichen Zucken der Arme, das seine Momente des Zorns kennzeichnete, wandte er sich zu Sven Andersson um, der sich in das graue Sofa drückte.
    »Aber es gibt keine Beweise«, brüllte er. »Nur Behauptungen, Andeutungen, Anspielungen von illoyalen Marineoffizieren. Diese Untersuchung bringt uns keinerlei Klarheit. Im Gegenteil, sie führt uns geradewegs in die politischen Sümpfe.«
    Zwei Jahre zuvor, in der Nacht zum 28. Oktober 1981, war ein sowjetisches U-Boot in der Gåsebucht außerhalb von Karlskrona auf Grund gelaufen. Das war nicht nur schwedisches Hoheits-, sondern dazu noch militärisches Sperrgebiet. Das U-Boot hatte das Kennzeichen U 137, und der Kapitän an Bord, Anatoli Michailovitsch Guschtschin, erklärte, das U-Boot sei aufgrund eines unbekannten Defekts am Kreiselkompass vom Kurs abgekommen. SchwedischeMarineoffiziere und einfache Fischer waren der festen
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