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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
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dass es ihm das Genick brach und er nicht das Risiko einging, langsam erdrosselt zu werden. Der Rechtsmediziner hatte Wallander gesagt, dem Mann sei es geglückt. Er war sein eigener glücklicher Henker gewesen. An diesem Punkt hatte Wallander die Selbstmordfälle aufgegeben und törichterweise einige Stunden dem Versuch gewidmet, sich an die Jugendlichen oder Kinder zu erinnern, die er tot aufgefunden hatte. Aber auch das gab er bald auf. Es war allzu grauenhaft. Hinterher schämte er sich und verbrannte das Notizbuch, als hätte er etwas getan, was nicht nur pervers, sondern auch verboten war. Eigentlich war er ein heiterer Mensch; er musste sich nur erlauben, diese Seite seines Wesens zu bejahen.
    Der Tod hatte ihn stets begleitet. Er hatte im Dienst selbst zwei Menschen getötet, war jedoch nach dem Abschluss derobligatorischen Ermittlungen nicht angeklagt worden, ohne Not Gewalt angewendet zu haben.
    Zwei Menschen getötet zu haben, das war das ganz persönliche Kreuz, an dem er zu tragen hatte.
     
    Aber eines Tages fasste er einen entscheidenden Entschluss. Er war draußen in der Nähe von Löderup gewesen, dem einstigen Wohnort seines Vaters, und hatte mit einem Bauern gesprochen, der Opfer eines Raubüberfalls geworden war. Auf dem Rückweg nach Ystad hatte er das Schild eines Immobilienmaklers gesehen, das auf eine kleine Schotterpiste wies, wo ein Haus zum Verkauf stand. Sein Entschluss kam aus dem Nichts. Er hielt an, wendete und suchte das Haus. Schon bevor er aus dem Wagen stieg, war ihm klar, dass das Haus saniert werden musste. Es war ein Fachwerkbau, ursprünglich ein U-förmiger Hof. Jetzt war einer der Flügel verschwunden, vielleicht durch einen Brand. Er ging auf dem Hof umher. Es war ein früher Herbsttag. Am Himmel war ein Zugvogelschwarm auf dem Weg nach Süden. Er blickte durch die Fenster ins Innere und erkannte, dass zunächst nur das Dach gründlich repariert werden musste. Die Aussicht war hinreißend, er konnte in der Ferne das Meer ahnen, vielleicht sogar mit einer der Fähren auf dem Weg von Polen nach Ystad. An jenem Nachmittag im September 2003 verliebte er sich auf der Stelle in dieses Haus.
    Er fuhr auf direktem Weg zu dem Makler im Zentrum von Ystad. Der Preis war nicht so hoch, dass er den notwendigen Kredit nicht würde abbezahlen können. Schon am folgenden Tag besichtigte er das Haus mit dem Makler, einem hektisch redenden jungen Mann, der mit dem Kopf ganz woanders zu sein schien. Die letzten Besitzer des Hauses waren von Stockholm heruntergezogen, ein junges Paar, das sich aber sofort wieder zu trennen beschloss, noch bevor das Haus eingerichtet war. Die Wände des leeren Hauses verbargen nichts, was ihn geängstigt hatte. Und das Wichtigstewar, dass er auf der Stelle einziehen konnte. Das Dach würde wohl noch ein, zwei Jahre halten. Er musste nur ein paar Zimmer streichen, vielleicht die Badewanne auswechseln und möglicherweise einen neuen Herd kaufen. Aber der Heizkessel war erst fünfzehn Jahre alt, und die elektrischen Installationen waren kaum älter.
    Bei der Abfahrt fragte Wallander, ob es weitere Interessenten gebe. Einen, erwiderte der Makler und setzte eine besorgte Miene auf, als wünschte er, dass Wallander das Haus bekäme, aber – so die unausgesprochene Warnung – dann müsse er sich schnell entscheiden. Doch Wallander hatte nicht vor, die Katze im Sack zu kaufen. Er sprach mit einem seiner Kollegen, dessen Bruder Hausbesichtigungen durchführte, und schon am nächsten Tag sah der sich mit ihm das Haus gründlich an. Er fand nur das, was auch Wallander schon bemerkt hatte. Am selben Tag besuchte Wallander seine Bankfiliale und erfuhr, dass er einen Kredit aufnehmen konnte, der für den Kauf des Hauses ausreichte. In all den Jahren, die er schon in Ystad lebte, hatte er zerstreut, aber regelmäßig Geld gespart, das jetzt für die Anzahlung reichte.
    Am Abend setzte er sich an den Küchentisch und nahm eine gründliche Kalkulation vor. Irgendwie war ihm feierlich zumute. Gegen Mitternacht hatte er sich entschieden: Er würde dieses Haus mit dem dramatischen Namen Schwarzhöhe kaufen. Trotz der fortgeschrittenen Stunde rief er seine Tochter Linda an, die in einer Neubausiedlung in der Nähe der Ausfahrt nach Malmö wohnte. Sie schlief noch nicht.
    »Komm her«, sagte Wallander. »Ich habe Neuigkeiten.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Du hast doch morgen frei.«
     
    Es war eine Überraschung gewesen, als Linda ihm vor einigen Jahren auf einem Spaziergang am
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