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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer
Autoren: Henning Mankell
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Freundschaft war zu Ende, zerbrochen. Jetzt fragte sich Wallander mit wachsendem Entsetzen, ob sie jemals existiert hatte. Oder ob Martinsson schon immer ein Mensch gewesen war, der nur auf eine Gelegenheit zum Zuschlagen wartete.
    Wellen von Trauer schlugen an seine Ufer. Dann kam eine einzelne Welle des Zorns und türmte sich vor ihm auf.
    Er hatte nicht vor aufzugeben. Noch ein paar Jahre würde er derjenige sein, der in Ystad die kompliziertesten Ermittlungen leitete.
    Aber das Gefühl, etwas verloren zu haben, war stärker als der Zorn. Wieder fragte er sich, wie er es schaffen würde durchzuhalten.
    Unmittelbar nach seinem Gespräch mit Martinsson verließ Wallander das Polizeipräsidium. Er ließ sein Mobiltelefon in seinem Büro zurück und sagte Irene nicht, wohin er fuhr oder wann er zurückkäme. Er setzte sich in seinen Wagen und fuhr in Richtung Malmö aus der Stadt hinaus. Als er an die Abzweigung nach Stjärnsund kam, bog er ab. Im Grunde wußte er nicht, warum er das tat. Aber vielleicht war der Verlust von zwei Freundschaften |563| zuviel auf einmal. In Gedanken kehrte Wallander oft zu Elvira Lindfeldt zurück. Sie war unter Vortäuschung falscher Tatsachen in sein Leben gekommen. Er ahnte, daß sie letzten Endes wohl bereit gewesen wäre, ihn zu töten. Aber er konnte es dennoch nicht lassen, an sie auch so zu denken, wie er sie erlebt hatte. Als eine Frau, die ihm an einem Tisch beim Essen gegenübersaß und ihm zuhörte. Eine Frau mit schönen Beinen, die ein paarmal seine Einsamkeit gemildert hatte.
    Als er auf Sten Widéns Hof einbog, lag dieser verlassen da. Auf einem Schild an der Einfahrt stand, daß er zu verkaufen war. Doch auf einem zweiten Schild daneben war zu lesen, daß er schon verkauft war. Wallander stand vor einem verlassenen Haus. Er ging zum Stall und schaute hinein. Die Boxen waren leer. Eine einsame Katze saß auf den Resten eines Heuballens und betrachtete ihn mißtrauisch.
    Wallander war sogleich beklommen zumute. Sten Widén war schon abgereist. Und hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich zu verabschieden.
    Wallander verließ den Stall und fuhr so schnell wie möglich davon.
     
    An diesem Tag kehrte er nicht ins Polizeipräsidium zurück. Den Rest des Nachmittags verbrachte er damit, planlos über die kleinen Landstraßen um Ystad zu fahren. Ein paarmal hielt er an, stieg aus und starrte über die leeren Äcker. Bei Einbruch der Dunkelheit war er wieder in der Mariagata. Er hielt beim Lebensmittelgeschäft und bezahlte seine Rechnung. Am Abend hörte er Verdis ›La Traviata‹ zweimal hintereinander. Er telefonierte auch mit Gertrud. Sie verabredeten, daß er sie am folgenden Tag besuchen würde.
    Kurz vor Mitternacht klingelte das Telefon. Wallander fuhr zusammen. Hoffentlich ist nichts passiert, dachte er. Nicht jetzt, nicht schon wieder. Das verkraftet keiner von uns.
    Es war Baiba. Sie rief aus Riga an. Wallander überlegte, daß es mehr als ein Jahr her war, seit sie zuletzt miteinander gesprochen hatten.
    »Ich wollte nur hören, wie es dir geht.«
    |564| »Danke, gut. Und dir?«
    »Auch gut.«
    Dann wanderte das Schweigen zwischen Riga und Ystad hin und her.
    »Denkst du manchmal an mich?« fragte er.
    »Warum hätte ich sonst angerufen?«
    »Ich frage ja nur.«
    »Und du?«
    »Ich denke immer an dich.«
    Wallander sah auf der Stelle ein, daß sie ihn durchschauen würde. Daß er log oder zumindest übertrieb. Warum er es tat, wußte er selbst nicht. Baiba war ein Stück Vergangenheit, war verblaßt. Dennoch konnte er sie nicht loslassen. Oder genauer gesagt, die Erinnerung an die Zeit mit ihr.
    Sie tauschten ein paar alltägliche Phrasen aus. Dann war das Gespräch vorbei. Wallander legte langsam den Hörer auf.
    Fehlte sie ihm? Er konnte sich die Frage selbst nicht beantworten. Es kam ihm vor, als existierten nicht nur in der Welt der Computer Firewalls. Er hatte auch eine Brandmauer in sich selbst. Von der er nicht immer wußte, wie er sie überwinden sollte.
     
    Am Tag danach hatte der starke Wind nachgelassen. Es war Mittwoch, der 12.   November. Er hatte frei. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt an einem gewöhnlichen Wochentag nicht hatte arbeiten müssen. Doch weil Linda kommen wollte, hatte er sich entschlossen, einen Teil der angesammelten Überstunden abzufeiern. Er würde sie um ein Uhr in Sturup abholen. Den Vormittag hatte er dafür eingeplant, endlich den Wagen zu wechseln. Er hatte mit dem Autoverkäufer einen Termin um zehn Uhr
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