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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
Autoren: Henning Mankell
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Wallander fuhr nach Ystad zurück. Viertel vor neun klingelte er an Björks Haustür. Er erzählte schnell, was passiert war.
    »Ab morgen fahnden wir und geben die Photos frei«, sagte er.
    Björk nickte zustimmend.
    »Ich werde um halb zwei eine Pressekonferenz einberufen«, meinte er. »Am Vormittag habe ich eine Besprechung mit den Polizeichefs. Aber ich werde dafür sorgen, daß wir die Unterlagen aus diesem Lager herausbekommen.«
    Kurt Wallander fuhr zu Rydberg. Er saß im Dunkeln auf seinem Balkon.
    Plötzlich war er sicher, daß Rydberg Schmerzen hatte.
    Rydberg, der seine Gedanken zu lesen schien, sagte plötzlich, wie es war:
    »Ich werde das hier wohl nicht überstehen. Vielleicht lebe ich noch bis Weihnachten, vielleicht auch nicht.«
    Kurt Wallander wußte nicht, was er sagen sollte.
    »Damit muß man sich eben abfinden«, fuhr Rydberg fort. »Aber erzähl lieber, warum du gekommen bist.«
    |326| Kurt Wallander berichtete. In der Dunkelheit konnte er Rydbergs Gesicht nur schwach erkennen.
    Danach saßen sie da, ohne ein Wort zu sagen.
    Der Abend war kühl. Aber Rydberg, der in Pantoffeln und seinen alten Morgenrock gekleidet dasaß, schien es nicht zu bemerken.
    »Vielleicht sind sie schon außer Landes geflohen«, sagte Kurt Wallander. »Vielleicht schnappen wir sie nie?«
    »In dem Fall müssen wir damit leben, daß wir die Wahrheit kennen«, antwortete Rydberg. »Rechtssicherheit bedeutet nicht nur, daß Menschen, die Verbrechen begehen, bestraft werden. Sie begründet sich genauso dadurch, daß wir niemals aufgeben.«
    Rydberg erhob sich mühsam und holte eine Flasche Kognak. Mit zitternder Hand füllte er zwei Gläser.
    »Es gibt alte Polizisten, die über ungelöste Rätsel nachgrübelnd sterben«, meinte er. »Ich bin wohl einer von ihnen.«
    »Hast du irgendwann einmal bereut, daß du Polizist geworden bist?« fragte Kurt Wallander.
    »Niemals. Nicht einen Tag lang.«
    Sie tranken Kognak. Unterhielten sich oder schwiegen. Erst gegen Mitternacht stand Kurt Wallander auf und ging. Er hatte versprochen, am nächsten Abend wiederzukommen. Als er ging, blieb Rydberg in der Dunkelheit des Balkons zurück.
    Am Mittwochmorgen, den 25.   Juli, berichtete Kurt Wallander Hansson und Martinsson, was am Tag zuvor nach ihrer Besprechung geschehen war. Da die Pressekonferenz erst am Nachmittag stattfinden sollte, beschlossen sie trotz allem, dem Jahrmarkt von Kivik einen Besuch abzustatten. Hansson übernahm die Aufgabe, zusammen mit Björk eine Pressemitteilung zu schreiben. Wallander rechnete damit, daß er und Martinsson spätestens gegen zwölf Uhr wieder zurück sein würden.
    Sie fuhren über Tomelilla und landeten in einer langen Autoschlange südlich von Kivik. Sie bogen ab und parkten auf |327| einem Feld, wo ein gerissener Landbesitzer zwanzig Kronen Parkgebühr von ihnen verlangte.
    Gerade als sie auf dem Markt ankamen, der so lag, daß man einen Blick auf das Meer hatte, begann es zu regnen. Unschlüssig betrachteten sie das Gewimmel von Ständen und Menschen. Lautsprecher plärrten, betrunkene Jugendliche grölten, und in dem Gedränge wurden sie vor- und zurückgeschubst.
    »Wir versuchen, uns in der Mitte wiederzutreffen«, sagte Kurt Wallander.
    »Wir hätten Walkie-talkies mitnehmen sollen, für den Fall, daß etwas passiert«, erwiderte Martinsson.
    »Es passiert schon nichts«, antwortete Kurt Wallander. »Wir treffen uns in einer Stunde.«
    Er sah, wie Martinsson lostrottete und im Gedränge verschwand. Er schlug den Jackenkragen hoch und ging in die entgegengesetzte Richtung.
    Nach einer guten Stunde trafen sie sich wieder. Beide waren durchnäßt und hatten von dem Gedrängel und Geschubse die Nase voll.
    »Jetzt scheißen wir auf das hier«, meinte Martinsson. »Wir fahren irgendwohin und trinken Kaffee.«
    Kurt Wallander zeigte auf ein großes Zelt vor ihnen.
    »Warst du da drin?« fragte er.
    Martinsson grinste.
    »Da drin war ein Fleischkloß, der sich ausgezogen hat«, sagte er. »Das Publikum hat gebrüllt, als würde es sich um die Sexorgie irgendeiner Sekte handeln. Zum Kotzen.«
    »Wir gehen jetzt noch einmal um das Zelt herum«, meinte Kurt Wallander. »Ich glaube, daß dort auch noch ein paar Stände sind. Danach fahren wir.«
    Sie stapften durch den Lehm und zwängten sich zwischen einem Wohnwagen und rostigen Zeltstangen hindurch.
    Hinter dem Zelt waren einige wenige Verkaufsstände. Sie sahen alle gleich aus, Planen, die von rotbemalten Eisenstangen gehalten wurden.
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