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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
Autoren: Henning Mankell
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einzige, was er hatte.
    Der Glatzkopf holte mit dem Messer aus; Kurt Wallander parierte mit dem schweren Ruder.
    Als der Mann das nächste Mal mit dem Messer zustieß, schlug er zu. Das Ruder traf den Mann am Schlüsselbein. Kurt Wallander konnte hören, wie es brach. Der Mann stolperte, Kurt Wallander ließ das Ruder fallen und verpaßte ihm mit der rechten Faust einen Kinnhaken. Er fühlte einen stechenden Schmerz in seinen Knöcheln.
    Aber der Mann sank zu Boden.
    Kurt Wallander fiel in den nassen Sand.
    Kurz danach kam Martinsson angerannt.
    Es regnete jetzt in Strömen.
    »Wir haben sie«, sagte Martinsson.
    »Ja«, erwiderte Kurt Wallander. »Sieht ganz so aus.«
    Er ging zum Strand hinunter und spülte sich das Gesicht ab. Weit draußen sah er einen Frachter, der Richtung Süden steuerte.
    Er freute sich, Rydberg mitten in seinem Elend eine gute Nachricht überbringen zu können.
    Zwei Tage später gestand der Mann namens Andreas Haas, daß sie den Mord verübt hatten. Er gestand zwar, schob aber |331| die Hauptschuld dem anderen zu. Als Lothar Kraftzcyk mit diesem Geständnis konfrontiert wurde, gab auch der auf. Aber er schob Andreas Haas die Brutalität zu.
    Alles war genauso abgelaufen, wie Kurt Wallander es sich vorgestellt hatte. Die beiden Männer hatten bei mehreren Gelegenheiten unterschiedliche Banken aufgesucht, um Geld zu wechseln und hatten dabei versucht, einen Kunden zu finden, der einen hohen Geldbetrag abhob. Sie waren Johannes Lövgren bei seiner Fahrt mit dem Schornsteinfeger Lundin gefolgt. Sie hatten ihn auf dem Trampelpfad beobachtet und waren zwei Nächte später mit dem Auto aus dem Übergangslager zurückgekommen.
    »Da ist eine Sache, die ich nicht verstehe«, sagte Kurt Wallander, der das Verhör von Lothar Kraftzcyk leitete. »Warum haben Sie dem Pferd Heu gegeben?«
    Der Mann sah ihn erstaunt an.
    »Das Geld war im Heu versteckt«, antwortete er. »Vielleicht hat das Pferd Heu abbekommen, als wir nach der Aktentasche gesucht haben.«
    Kurt Wallander nickte. So einfach war das also mit dem satten Pferd.
    »Noch eine Sache«, sagte Kurt Wallander. »Die Schlinge?«
    Er bekam keine Antwort. Keiner der beiden Männer wollte zugeben, daß er für diese besinnungslose Gewalt verantwortlich war. Er wiederholte seine Frage, bekam aber niemals eine Antwort darauf.
    Die tschechische Polizei teilte ihm jedoch mit, daß sowohl Haas als auch Kraftzcyk in ihrem Heimatland schon früher wegen Gewaltverbrechen verurteilt worden waren.
    Nachdem sie aus der Unterkunft für Asylbewerber verschwunden waren, hatten sie außerhalb von Höör ein kleines verfallenes Haus gemietet. Die Lederjacken, die sie verkauften, hatten sie bei einem Einbruch in ein Lederwarengeschäft in Tranås erbeutet.
    Die Beweisaufnahme dauerte nur ein paar Minuten.
    |332| Keiner zweifelte an der sicheren Beweisführung, auch wenn die beiden sich gegenseitig die Schuld zuschoben.
    Kurt Wallander saß im Gerichtssaal und betrachtete die beiden Männer, die er so lange gejagt hatte. Er erinnerte sich an den frühen Morgen im Januar, an dem er das Haus in Lenarp betreten hatte. Obwohl der Doppelmord nun gelöst war und die Verbrecher ihre Strafe bekommen würden, war er nicht zufrieden. Warum hatten sie eine Schlinge um Maria Lövgrens Hals gelegt? Warum diese Gewalt nur um ihrer selbst willen?
    Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Er fand darauf keine Antwort. Und das beunruhigte ihn.
    Am späten Samstagabend, den 4.   August, fuhr Kurt Wallander mit einer Flasche Whisky zu Rydberg nach Hause. Am nächsten Tag wollte Anette Brolin ihn zu seinem Vater begleiten.
    Kurt Wallander dachte an die Frage, die er ihr gestellt hatte.
    Ob sie sich vorstellen könnte, sich wegen ihm scheiden zu lassen.
    Sie hatte natürlich mit Nein geantwortet.
    Aber er wußte, daß sie ihm die Frage nicht übelgenommen hatte.
    Auf dem Weg zu Rydberg spielte er eine Kassette mit Maria Callas in seinem Kassettenrecorder. Die kommende Woche hatte er sich wegen all seiner Überstunden freigenommen. Er wollte nach Lund fahren, um Herman Mboya zu besuchen, der aus Kenia zurückgekommen war. Den Rest der Zeit wollte er mit der Renovierung seiner Wohnung verbringen.
    Vielleicht würde er sich nun doch eine neue Stereoanlage kaufen.
    Er parkte vor dem Haus, in dem Rydberg wohnte.
    Er spürte, daß es Herbst zu werden begann. Der gelbe Mond war über seinem Kopf nur schemenhaft erkennbar.
    Rydberg saß wie gewöhnlich im Dunkeln auf dem Balkon.
    Kurt Wallander
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