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Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht

Titel: Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
Autoren: Henning Mankell
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etwas Schlimmes passiert. Ich rufe dich an.«
    »Was ist denn passiert?«
    Sein greiser Vater rief ihn fast täglich an. An einigen Tagen hatte er der Telefonzentrale die Anweisung erteilt, keine Anrufe mehr von ihm durchzustellen. Aber mit dieser Taktik hatte er Schiffbruch erlitten, denn sein Vater hatte begonnen, unterschiedliche Namen anzugeben und seine Stimme zu verstellen, um die Telefonistinnen zu täuschen.
    Kurt Wallander sah nur eine Möglichkeit, ihn jetzt wieder loszuwerden.
    »Ich komme dich heute abend besuchen«, sagte er. »Dann können wir reden.«
    Widerwillig gab sein Vater schließlich nach.
    »Komm um sieben. Da habe ich Zeit, dich zu empfangen.«
    »Gut, bis um sieben. Wiederhören.«
    Er legte den Hörer auf und sperrte das Telefon für alle eingehenden Telefonate.
    Einen Moment lang dachte er daran, das Auto zu nehmen, zum Bahnhof hinunterzufahren und dort seine Tochter zu suchen. Mit ihr zu reden, das gute Verhältnis wieder zum Leben zu erwecken, das auf so geheimnisvolle Art und Weise verlorengegangen war. Aber er wußte, daß er das nicht durfte. Er |29| wollte nicht riskieren, daß seine Tochter sich für immer von ihm abwandte.
    Die Tür wurde geöffnet, und Näslund steckte den Kopf herein.
    »Hallo«, sagte er. »Soll ich ihn hereinholen?«
    »Wen hereinholen?«
    Näslund sah auf seine Uhr.
    »Es ist neun Uhr«, sagte er. »Gestern hast du gesagt, daß du Klas Månsson um diese Zeit zum Verhör hier haben willst.«
    »Welchen Klas Månsson?«
    »Na den, der das Geschäft an der östlichen Umgehungsstraße ausgeraubt hat. Hast du den etwa vergessen?«
    Jetzt erinnerte er sich und begriff gleichzeitig, daß Näslund offensichtlich noch nichts von dem Mord wußte, der während der Nacht begangen worden war.
    »Du mußt Månsson übernehmen. Wir hatten einen Mord diese Nacht, draußen in Lenarp. Vielleicht sogar einen Doppelmord. Ein altes Ehepaar. Du mußt Månsson allein übernehmen. Aber verschieb das erst mal. Das Wichtigste momentan ist, die Fahndung im Lenarp-Fall zu planen.«
    »Månssons Anwalt ist schon gekommen«, erwiderte Näslund. »Wenn ich den jetzt wieder nach Hause schicke, gibt es ziemlichen Ärger.«
    »Mach eine Beweisaufnahme«, antwortete Wallander. »Wenn der Anwalt dann meckert, kann ich es auch nicht ändern. Setz eine Lagebesprechung für zehn Uhr in meinem Büro an. Alle sollen dabeisein.«
    Plötzlich war er auf Touren gekommen. Jetzt war er wieder Polizist. Die Ängste wegen seiner Tochter und seiner Frau mußten warten. Jetzt würde er erst einmal mit der mühevollen Suche nach einem Mörder beginnen.
    Er räumte ein paar Aktenbündel von seinem Schreibtisch, zerriß einen Totoschein, den er aus Zeitmangel doch nicht ausfüllen würde, ging hinaus in die Kantine und goß sich einen Kaffee ein.
    |30| Um zehn hatten sich alle in seinem Büro versammelt. Rydberg war vom Tatort abkommandiert worden und saß auf einem Stuhl am Fenster. Sitzende und stehende Polizisten füllten den Raum, insgesamt waren sie zu siebt. Wallander rief im Krankenhaus an, und es gelang ihm schließlich zu erfahren, daß der Zustand der alten Frau unverändert kritisch war.
    Dann berichtete er im einzelnen, was geschehen war.
    »Es sah dort schlimmer aus, als ihr euch vorstellen könnt«, sagte er. »Oder was meinst du, Rydberg?«
    »Stimmt«, antwortete Rydberg. »Wie in einem amerikanischen Film. Es roch sogar nach Blut. Das habe ich noch nie erlebt.«
    »Wir
müssen
sie schnappen«, beendete Kurt Wallander seine Berichterstattung. »Wir dürfen solche Wahnsinnigen nicht frei herumlaufen lassen!«
    Es wurde still im Raum. Rydberg trommelte mit den Fingern auf der Stuhllehne herum. Vom Flur her konnte man das Lachen einer Frau hören.
    Kurt Wallander sah sich um. Sie alle hier waren seine Mitarbeiter. Mit keinem von ihnen war er eng befreundet. Aber sie gehörten zusammen.
    »Also«, meinte er, »wie gehen wir vor? Wir sollten endlich anfangen.«
    Es war zwanzig Minuten vor elf.

|31| 3
    Nachmittags um Viertel vor vier merkte Kurt Wallander, daß er hungrig war. Er hatte es nicht geschafft, zu Mittag zu essen. Nach der Fahndungsbesprechung am Morgen war er die ganze Zeit damit beschäftigt, die Jagd nach den Mördern von Lenarp einzuleiten. Irgendwie mußte er ständig an mehr als nur einen Täter denken. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Mensch allein dieses Blutbad angerichtet haben konnte.
    Draußen war es schon dunkel, als er hinter seinem Schreibtisch in den Stuhl sank und
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