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Walisischer Sommer

Walisischer Sommer

Titel: Walisischer Sommer
Autoren: Penny Jordan
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gleichmütig.
    Lügner, hätte sie ihm am liebsten an den Kopf geworfen. Denn er wußte, daß sie dann das Gesicht verloren hätte. Sie sagte nichts mehr, sondern drehte sich einfach um und ging weg.
    „Packen Sie auch warme Kleidung ein, vor allem dicke Jacken. Wenn es schneit …” meinte er auf einmal.
    „Wie bitte?” Christa blieb stehen und wirbelte herum. „Es schneit doch nicht im Oktober …”
    „Hier vielleicht nicht, aber in Wales sieht das anders aus. Dort in den Bergen gibt es manchmal schon im September Schnee. Haben Sie sich übrigens Wanderschuhe beschafft?”
    „Was?”
    „Ja, die sind auf der Liste der für den Kurs erforderlichen Kleidung aufgeführt”, erklärte er.
    Natürlich, diese Liste war wahrscheinlich dem Prospekt beigefügt, den ich sogleich weggeworfen habe, sagte sie sich ärgerlich. Was habe ich sonst noch übersehen in meinem Zorn und törichten Stolz?
    „Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen, mir welche zu kaufen”, antwortete sie schließlich. „Aber ich brauche sie ja auch nicht, denn ich habe nicht die Absicht zu wandern.”
    Zu ihrer Enttäuschung reagierte er gar nicht auf diese bewußt provozierende Bemerkung, sondern stellte unbekümmert fest: „Ach, machen Sie sich darüber keine Gedanken. In der Stadt in der Nähe unseres Dorfs gibt es ein ausgezeichnetes Sportgeschäft. Es wird Ihnen gefallen. Auch die wöchentlich stattfindende Viehauktion wird Ihnen Spaß machen …”
    „Wohl kaum”, unterbrach sie ihn und schaute ihn abweisend an. „Ich bin ein Stadtmensch”, fügte sie nicht ganz wahrheitsgemäß hinzu. Sie war ein wenig beunruhigt, weil er immer wieder ihre Gedanken zu lesen schien. „Irgendwelchen Bauern dabei zuzuschauen, wie sie um den Verkauf einer Handvoll Schafe feilschen, entspricht wirklich nicht meiner Vorstellung von Spaß …”
    „Nein?” Er zog die dunklen Augenbrauen hoch. „Ich habe aber etwas ganz anderes gehört. Offenbar ist man bei den indischen und pakistanischen Stoffherstellern auf der Hut vor dieser englischen Lady, die die Produkte kauft und so hart verhandeln kann.”
    Christa versteifte sich unwillkürlich. Wie hatte er das denn erfahren?
    „Es gehört zu meiner Tätigkeit, Stoffe zu kaufen … aber nicht Schafe. Außerdem bin ich davon ausgegangen, daß es zu den ethischen Ansprüchen Ihrer Kurse gehört, die Gedanken an die Arbeit auszuschalten und spielen zu lernen”, erwiderte sie spöttisch.
    „Unser Ethos, wie Sie es nennen, besteht darin, den Menschen beizubringen und ihnen dabei zu helfen, im Gleichgewicht zu leben, damit sie verstehen und akzeptieren, daß die menschliche Psyche außer materiellen auch noch andere Bedürfnisse hat.”
    „Oh, das Trauma armer gestreßter Führungskräfte”, meinte Christa geringschätzig. „Was haben sie doch für Bedürfnisse! Und welche edle Rolle spielt der, der Abhilfe schafft! Und was ist mit den vielen Hungernden und Kranken auf dieser Welt?”
    „Ja, ich weiß”, sagte er so ruhig und mit einem so seltsamen Unterton in der Stimme, daß Christa errötete. Sie wandte den Blick ab und hatte das Gefühl, ins Unrecht gesetzt worden zu sein.
    „Ich würde gern das ganze Elend dieser Erde lindern, kann es aber nicht. Deshalb beschränke ich mich darauf, die Menschen, die ich erreiche, dahin zu führen, daß sie mit sich selbst im Einklang und mit anderen in Harmonie leben. Und wenn alle das anstreben würden, dann fänden keine Kriege mehr statt, und es herrschten auch keine Hungersnöte”, erklärte er sanft. „Ich warte hier unten auf Sie, oder?” fügte er dann hinzu.
    Christa schaute ihn verwirrt an, denn seine Worte hatten sie eigenartig berührt. Er verblüffte sie immer wieder von neuem und sagte Dinge, auf die sie nicht vorbereitet war. Sie hatte das Gefühl, von ihm manipuliert zu werden.
    Ich darf mich nicht von ihm beeindrucken lassen, dachte sie, während sie die Treppe hinaufeilte. Schließlich ist er Psychologe und weiß, wie Menschen handeln und reagieren, und auch, wie er sich Sympathie und Bewunderung verschaffen kann.
    Aber so leicht würde sie sich nicht täuschen lassen. Er würde es schon bald zutiefst bereuen, daß er die törichte Behauptung aufgestellt hatte, ihre, Christas, Lebenseinstellung ändern zu können. Er war ja kein Gott, sondern nur ein normales menschliches Wesen.
    Auf einmal blieb sie kurz auf der zweiten Treppe stehen. Dieser Mann läßt sich nicht mit normalen Maßstäben messen, das muß ich mir immer vor Augen halten, nahm sie
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