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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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wohl: "Träger (drasil) des Schreckens, des Furchtbaren (Yggr)"; dies ist einer der vielen Namen des obersten Gottes Odin, der sich nicht nur selbst eine "Frucht des Weltbaumes" nennt, der auch als hoch auf dem Wipfel dieses kosmischen Baums thronend gedacht werden mag.
    Die Zweige der Esche breiten sich über das All, sie reichen in die Himmel empor; ja, seine über Walhall emporragenden Wipfel werden auch als ein besonderer Baum mit eignem Namen Lärad (Stille spendend) bezeichnet.
    Die drei Wurzeln reichen zu dem Urdar-Brunnen bei den Nornen, zu den Reifriesen und Mimirs-Brunnen und nach Niflheim zu Hel und dem Brunnen Hwergelmir herab.
    Die tiefernste, ja tragische (aber durchaus nicht "pessimistische"; denn dies ist keineswegs gleichbedeutend) Grundanschauung der Germanen, welche wir alsbald als bezeichnend für ihre Mythologie kennen lernen werden und welche in der Ahnung von der Götterdämmerung nur ihren grossartigsten und abschliessenden, keineswegs aber ihren einzigen Ausdruck findet, spricht sich nun auch aus in den vielen Gefahren und Nachstellungen, welche den "Weltbaum", d. h. alles Leben, unablässig bedrohen.
    Zwar besprengen die Nornen (die Schicksalsgöttinnen, s. unten) täglich die Esche mit dem heiligen Wasser aus dem Brunnen Urds, der Norne der Vergangenheit, um sie vor Welken und Fäulnis zu bewahren. Aber diese treue Mühung der Pflege kann das unvermeidlich von fernher drohende Verderben nur hinauszögern, nicht es abwenden; ganz ähnlich, wie die Kämpfe der Götter gegen die Riesen, obzwar siegreich, den endlichen Untergang der Asen und aller Wesen nur hinausschieben, nicht verhindern mögen.
    Alles Lebende ist vergänglich, ist unrettbar dem Tode verfallen; deshalb wird gesagt, eine Seite des Weltbaums ist bereits angefault. Und überall sind feindliche Wesen tätig, an ihm zu zehren; an seiner einen Wurzel in Hel nagen der Drachenwurm Nid-höggr (der mit Ingrimm Hauende), der sich von Leichen nährt, und viele Schlangen; vier Hirsche, deren Namen auf die Vergänglichkeit sich beziehen, beissen die Knospen der Zweige ab; ein Adler horstet im Wipfel, ein Eichhorn, Rata-wiskr ("Huscher an den Zweigen"), huscht geschäftig hin und der, des Adlers Worte zu dem Drachen niedertragend. Dagegen soll es wohl nicht Bedrohung des Weltbaums bedeuten, sondern nur dessen allernährende Fruchtbarkeit, dass an den Zweigen ein andrer Hirsch äset, aus dessen Geweih Tropfen fliessen, welche die Ströme der Unterwelt bilden; zumal aber, dass die Ziege Heid-Run sich davon nährt, deren Milch die Walhallgenossen, die Einheriar Odins, ernährt; diese Ziege erhält den Walhallhelden ihre Eigenart, ihre "Heid" (ein altes Hauptwort, das in Schön-heit, Rein-heit, Krank-heit usw. noch forttönt) [Fußnote: Über die zwei oder drei Brunnen unter den Wurzeln des Weltbaums s. unten.] .
    Die Vorstellung des Weltbaums, der grossen, allgemeinen, alles-tragenden Säule war auch bei Südgermanen tief eingewurzelt; die Irmin-Sul der Sachsen hängt damit zusammen.
    Wie nun auf den Stamm des Weltbaums die Mehrzahl von Welten sich verteilt, welche als Gebiete verschiedener Wesen angeführt werden, das ist ohne Widerspruch nicht zu entscheiden; vielleicht sah diese Reihe von Vorstellungen von dem Bilde des Baums völlig ab. Zutiefst unter der Erde liegen Niflhel (auch Hel), ganz der Sonne fern, wo die Ruchlosen ihre Strafe leiden, eine Steigerung von Niflheim; in der Mitte über diesem Svart-alfaheim; erstere beiden sind die germanischen, nicht heissen und nicht hellen, sondern kalten und finstern "Höllen", d. h. Straforte für Seelen von Verbrechern oder doch freudloser Aufenthalt für Seelen von Weibern und von Männern, welche nicht den freudigen und ruhmvollen Schlachtentod gestorben und so nicht als Einheriar zu Odin nach Walhall aufgefahren, sondern an Krankheit auf dem Siechbett den "Strohtod" gestorben und zu Hel, der hehlenden, bergenden Todesgöttin der Unterwelt (s. unten), hinabgesunken waren. "Svart-alfaheim" ist die Heimat der Dunkel-Elben, zu welchen die Zwerge zählen, die in Bergen und Höhlen, im Schosse der Erde wohnen. An den äussersten Rändern der Erde, welche gegen das kreisartig erd-umgürtende Meer abfallen, – man mag sich dies vorstellen wie einen umgestürzten Teller – hausen die Riesen in Jötunheim; oberhalb desselben in "Midgard", in "Manheim", auf der erhöhten Mitte der Erde, wohnen die Menschen. Oberhalb der Erde im lichten Äther schweben die Licht-Elben in Ljos-Alfaheim, endlich
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