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Waldstadt

Waldstadt

Titel: Waldstadt
Autoren: B Leix
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löste sich der Halbschalenhelm und der Schrei des fliegenden Mofafahrers mischte sich mit dem Krachen seiner Wirbelsäule beim harten Aufschlag.
    »Aaah«, mehr brachte er nicht mehr heraus, denn dünnes Metall schlang sich um seinen faltigen Hals und wurde blitzschnell brutal zugezogen. Die Bewegungen von Schallenbach erschlafften sofort. Er merkte nicht mehr, was ihn in großer Eile nach hinten fortriss.
    Nach 20 Metern ließ ihn der Schwarze einfach fallen, plumps, wie einen Mehlsack. Diesmal fasste er nicht mehr zu, um sein Opfer auf den Bauch zu drehen. Der Alte stank ihm zu sehr nach Alkohol.
    Zurück auf die Allee, nach links, nach rechts, nirgends ein Licht! Nur der Mofamotor ratterte noch.
    Schnell löste er die Straßensperre. Das Aufwickeln hatte er akribisch geübt, so lange, bis er es in 12 Sekunden schaffte. Er stellte das Puch wieder auf, klemmte den Helm am Gepäckträger fest, machte es sich auf dem breiten Sattel bequem und drehte am Gas.
    Eine Flut durchströmte ihn. Er fühlte sich unvergleichlich. Schwerelos, über allem fliegend. Er triumphierte.
    Sie griffen nach ihm, von unten, aber ihre Arme waren nicht lang genug. Er fühlte sie hinter sich, aber souverän fuhr er ihnen davon. Genial, wie er das geschafft hatte. Geplant, ausgeklügelt, vorbereitet, durchgeführt und dabei doch so einfach. Nur ein wenig Nachdenken. Einfach perfekt.
    Dann wurde ihm die Gefahr bewusst. Ein Mofa so spät nachts im Wald, daran würde sich jeder erinnern, dem er jetzt noch begegnete. Viel zu auffällig.
    Sollte er es einfach stehen lassen? Ein paar Meter seitlich ins Gebüsch schieben?
    Er entschied sich für das Risiko. Abbiegen von der Friedrichstaler Allee und auf der Querallee nach rechts Richtung Rintheim. Falls auf dem kurzen Stück doch jemand käme? Motor aus, Licht aus und ab ins Unterholz!
    Doch es kam keiner. Niemand, der ihm seinen Erfolg nehmen und seine Hochstimmung trüben könnte.
    Vor der Theodor-Heuss-Allee hielt er an. Öffentliche Straße, also nur mit Helm! Falls er doch noch einer Streife begegnete.
    Er griff nach hinten, löste den Kopfschutz vom Gepäckträger und drehte ihn ein paar Mal unschlüssig in seinen Händen. Tatsächlich, die Innenpolster rochen und zwar ganz gewaltig. Sie stanken nach Zigarettenrauch, Bierdunst, Schweiß, ungewaschenen, fettigen Haaren und klebrigem Ohrenschmalz. Das bildete er sich zumindest ein. Oder erinnerte sich nur die Nase noch an den Geruch des Mannes?
    Widerstrebend stülpte er den Helm dennoch über. Seine dünne schwarze Maske bewahrte ihn zum Glück vor direktem Kontakt und die konnte er ja waschen.
    Auf Nebenwegen erreichte er den Parkplatz beim Fächerbad. Ein paar alte Fahrräder, die keiner mehr abholte, lehnten an den Ständern. Er schob das Puch einfach dazu, sah sich um und versenkte den dunkelgrünen Helm in einer Anpflanzung von bodendeckendem Cotoneaster.
    Im Schatten einer Betonwand nahm er die Sturmhaube vom Kopf, stopfte sie zusammen mit den Lederhandschuhen in die Schubtaschen des Sweatshirts, zog es sich über den Kopf und band es mit den Ärmeln um seinen Bauch. Darunter trug er ein grell gemustertes Nike-T-Shirt, vorne und hinten mit reflektierenden Einsätzen. Fertig! Schon gab es niemanden mehr, der an dem federnd lostrabenden Mitternachtsjogger irgendetwas Verdächtiges hätte feststellen können.
     
    Roswitha Schallenbach beendete ihre Nachtschicht wie gewöhnlich mit einem Pott Kaffee und zwei Butterbrezeln in der Filiale einer Großbäckerei. Eine halbe Stunde lang blätterte sie durch die größte deutsche Boulevardzeitung, die sie sich zusammen mit einem Fläschchen Cognac ein paar Ecken weiter am Kiosk geholt hatte. Die Technik, ihre Kaffeetasse hinter der Zeitung zu verstecken, während sie das Hochprozentige hineinkippte, war tausendfach geübt, aber um halb sieben Uhr morgens interessierte sich ohnehin keiner im Stehcafé für das, was am Nebentischchen geschah.
    Früher hatte sie sich im Bereitschaftszimmer ab und zu etwas hinlegen können, aber seit ein hochbezahlter Gutachter berechnet hatte, dass eine Pflegekraft im Nachtdienst auch zwei Stationen versorgen konnte, gab es kaum eine Ruhezeit. Wenn zudem, wie in der vergangenen Nacht, auch noch jemand von den Heimbewohnern starb, dann war sie mit ihren Kräften einfach am Ende. »Gestorben wird immer nur nachts«, hatte sie grimmig ihre Kolleginnen vom Tagdienst angeraunzt.
    Eine kurze Fahrt mit der Linie Fünf bis zur Endhaltestelle, wenige Fußminuten zu dem kleinen
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