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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur
Autoren: Henry David Thoreau
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Kleidungsstück so gut ist wie drei dünne und billige Kleider zu Preisen erhältlich sind, die dem Kunden wirklich passen; solange ein dicker Mantel für fünf Dollar zu haben ist und ebenso viele Jahre hält, warme Hosen für zwei Dollar, rindslederne Stiefel für anderthalb Dollar das Paar, ein Sommerhut für fünfundzwanzig Cent, eine Wintermütze für zweiundsechzigeinhalb Cent, selbstgemacht noch preiswerter und besser - wo ist dann ein Mensch so arm, daß sich nicht ein Weiser fände, der ihm in diesem Anzug aus eigenem Verdienst die Reverenz erweist?
    Wenn ich ein Kleidungsstück besonderen Schnittes bestelle, dann antwortet mir meine Schneiderin gewöhnlich mit wichtiger Miene: »Das trägt man jetzt nicht.« Das man betont sie dabei nicht, so als spräche sie von einer überpersönlichen Macht wie dem Schicksal. Und ich kann mir nicht machen lassen, was ich haben möchte, aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht glauben kann, daß ich so dreist bin, wirklich das zu verlangen, was ich sage. Wenn ich diesen orakelhaften Satz höre, verfalle ich für kurze Zeit ins Grübeln und wäge jedes Wort einzeln ab, um herauszufinden, welches Verwandtschaftsverhältnis
    zwischen diesem man und mir besteht, und welches Bestimmungsrecht jemand anderer in einer Sache haben kann, die ausschließlich mich angeht. Schließlich kommt mich die Lust an, ihr im gleichen geheimnisvollen Ton und mit der gleichen nachlässigen Betonung von man zu antworten:
    »Allerdings, vor kurzem trug man es nicht, aber jetzt trägt man es wieder.« Welchen Sinn hat das Maßnehmen, wenn sie dabei nicht auch meinen Charakter mißt, sondern nur die Breite meiner Schultern, als handele es sich um einen Kleiderhaken?
    Wir verehren weder die Grazien noch die Parzen, dafür aber unsere Mode! Sie spinnt, webt und schneidet ab mit
    unumstrittener Autorität. Der Oberaffe in Paris setzt eine
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    Reisemütze auf, und alle Affen Amerikas machen es ihm nach.
    Manchmal gebe ich die Hoffnung auf, daß je auf dieser Erde etwas wirklich Einfaches und Ehrliches von Menschenhand vollbracht werden kann. Man müßte die Menschen zuerst durch eine gewaltige Presse gehen lassen, um die gewohnten
    Vorstellungen aus ihnen herauszuquetschen. Und selbst dann würde sich einer unter ihnen finden mit einer Grille im Kopf, die einem Ei entschlüpfte, das auf Gott weiß welchem Wege
    dorthin gelangt war (denn nicht einmal Feuer vermag dieses Ungeziefer auszurotten) - und alle Mühe wäre umsonst
    gewesen. Wir wollen aber trotzdem nicht vergessen, daß uns durch eine Mumie der ägyptische Weizen übermittelt wurde.
    Alles in allem kann man, glaube ich, nicht behaupten, daß sich die Bekleidung bei uns oder in irgendeinem anderen Land zu künstlerischem Rang aufgeschwungen hätte. Die Menschen
    behelfen sich zur Zeit mit dem, was sie zu kaufen bekommen.
    Wie Schiffbrüchige ziehen sie an, was auf dem Strand zu finden ist, und machen sich, nach einem geringen Abstand, zeitlich wie räumlich, über die eigene Maskerade lustig. Jede
    Generation lacht über die Moden der Vergangenheit, geht jedoch treu und brav mit der neuen. Die Tracht Heinrichs VIII.
    oder der Königin Elisabeth ist für uns ebenso belustigend wie die der Kannibalenkönige. Ausgezogen wirkt jedes Kostüm grotesk und kläglich. Nur der Geist, dessen Hauch wir spüren, das echte Leben, das darin gelebt wurde, sind es, die unser Lachen zum Verstummen bringen und jeglicher Tracht Würde verleihen. Wenn ein Harlekin an einem Kolikanfall leidet, muß ihn seine Staffage auch in diesem Zustand kleiden. Wird der Soldat von einer Kugel getroffen, stehen ihm Lumpen so gut wie Purpur.
    Der kindische und barbarische Geschmack von Männern und Frauen für neue Muster zwingt so viele, ihre Kaleidoskope zu schütteln und in sie hineinzugaffen, nur um zu erraten, nach welchem besonderen Muster die heutige Generation verlangt.
    Unsere Fabrikanten kennen die Launenhaftigkeit dieses
    Geschmacks. Von zwei Mustern, die sich nur durch ein paar Fäden mehr oder weniger von einer bestimmten Farbe
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    voneinander unterscheiden, läßt sich das eine sofort verkaufen, während das andere liegenbleibt. Doch kommt es häufig vor, daß in der nächsten Saison gerade das zweite Muster in Mode kommt. Im Vergleich dazu ist das Tätowieren lange nicht so schrecklich, wie es allgemein heißt: Deshalb allein, weil das Muster hauttief geht und unveränderlich ist, kann es nicht als barbarisch bezeichnet werden.
    Ich kann nicht glauben,
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